Ein Lord entdeckt die Liebe
genau, was um ihn herum vorgeht. Zweifellos nimmt er seine verantwortungsvolle Aufgabe nicht auf die leichte Schulter.“ Er schwieg einen Moment und meinte dann ernst: „Er weiß genau, dass die früheren Besitzer des Speers kein glückliches Leben geführt haben. Die meisten sollen zudem einen elenden Tod gehabt haben.“
„Oh Gott!“
„Sie haben Mr Buckhurst bereits kennengelernt“, teilte Conover ihr mit.
„Unmöglich! Ich …“ Sie unterbrach sich, denn gerade war ihr der Mann eingefallen, der sie in den Hanover Square Rooms angesprochen und sich nach dem Marquess erkundigt hatte. Erschrocken griff sie nach Conovers Arm. „Er wird den Speer doch nicht Lord Marland geben wollen? Das müssen wir verhindern!“
„Er erwähnte, es gäbe gewisse Hinweise darauf, dass Marland der wahre Besitzer sein könne. Da ist zum Beispiel dieser Ausstellungsraum … Allerdings zögert Buckhurst noch.“
„Zu Recht!“, rief Chloe. „Marland sollte eine solche Bürde nicht tragen müssen.“ In Gedanken ging sie die Liste der Männer durch, die den Speer unbedingt in ihren Besitz bringen wollten. Ein einsames unglückliches Leben und ein elender Tod? Gab es jemanden, den sie dazu hätte verdammen mögen? Nein! Nicht einmal jemand wie Laxton hätte das verdient.
Der Phaeton hatte den Hain hinter sich gelassen, und Chloe spürte die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht.
„Buckhurst beabsichtigt, den Speer Ihnen zu geben, Miss Hardwick“, sagte Conover. „Er glaubt zwar, dass Marland der wahre Besitzer sein könne, aber er möchte die Entscheidung Ihnen überlassen.“
Ungläubig starrte sie ihn an. „Das kann ich nicht. Das darf er nicht von mir verlangen!“
„Ich bin Ihrer Meinung. Aber ich vermochte Buckhurst nicht umzustimmen.“ Er brachte den Wagen zum Stehen, und der Pferdeknecht nahm in aller Eile wieder seinen Platz ein.
Chloe hätte am liebsten ihren Zorn, ihre Enttäuschung und ihre Angst hinausgeschrien. Sie wollte den verfluchten Speer nicht. Aber während der letzten Minuten war ihr klar geworden, warum Braedon glaubte, ihn an sich bringen zu müssen. Zweifellos wusste er mehr über den Fluch, als er bisher zugegeben hatte. Ja, bestimmt war er seit langem über die wahre Natur der Waffe informiert!
Selbst wenn er den Fluch als Aberglauben abtat, würde er doch den Speer als ein Symbol dessen betrachten, was für ihn so wichtig war: seine emotionale Distanz zum Rest der Welt.
Emotionale Distanz auch zu mir, dachte sie. Die Erkenntnis tat weh. Schrecklich weh. Sie fühlte sich verraten.
„Miss Hardwick?“
Sie zuckte zusammen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie den Park verlassen hatten und in die Green Street eingebogen waren. Gerade hielt der Phaeton vor einem Stoffgeschäft. „Bitte, werfen Sie einen kurzen Blick unter die Sitzbank“, forderte Conover sie auf. Er war bereits vom Kutschbock gesprungen und half ihr jetzt beim Aussteigen. „Sehen Sie die Stoffrolle?“
„Ja.“
„Gut, wir gehen jetzt in den Laden. Dort werden wir uns eben diesen Stoff zeigen lassen. Sie werden etwas davon kaufen und die Rolle in den Armen halten, wenn ich Sie gleich nach Marland House zurückfahre.“
Sie war zu verwirrt, um zu widersprechen. Und so kam es, dass sie das Geschäft einige Zeit später mit einer Stoffrolle verließ.
„Dann liegt der Speer also unter der Sitzbank“, sagte sie leise zu Conover.
„Ja. Wenn ich Ihnen nachher beim Aussteigen helfe, vertauschen wir die Rollen. Es tut mir leid, dass ich Sie nicht eher einweihen konnte. Aber …“ Er zuckte die Schultern. „Vielleicht wäre es am klügsten, wenn Sie die Waffe einfach behalten. So könnten Sie verhindern, dass jemand leiden muss.“
Wenn sie das tat, würde sie mit dem Gefühl leben müssen, Braedon hintergangen zu haben. Sie würde sich wie sein Bruder verhalten, der ihm stets das genommen hatte, was ihm am meisten bedeutete. Aber würde er nicht noch mehr leiden, wenn sie ihm die verfluchte Waffe überließ?
„Ich schwöre, dass ich niemandem verraten werde, wo der Speer sich befindet“, erklärte Conover. „Schon deshalb, weil ich nicht möchte, dass bekannt wird, welche Rolle ich in dieser Geschichte gespielt habe.“
Unwillkürlich sah Chloe sich nach dem Pferdeknecht um.
Der Earl begriff sofort. „Josefs größte Tugend ist seine Verschwiegenheit“, beruhigte er sie.
Doch Chloe fühlte sich der Verzweiflung nahe. Während der letzten Tage hatte sie so viel getan, um Braedon zu beweisen, dass seine
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