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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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landeten Fälle, die Nicht-Weiße betrafen, ganz unten im Stapel. Deshalb hatte die Security Branch den Belästigungsfall auch so freudig bei ihm abgeladen. Nur Handlanger-Bullen mit zu viel Zeit und zu wenig Grips machten sich ausschließlich an Fällen mit Nicht-Weißen die Finger schmutzig.
    Emmanuel drückte sich von der Wand ab. Warum, fragte er sich, hätte jemand die Akten verschwinden lassen sollen, wenn es darin nicht etwas gab, was man besser versteckte?
    Er öffnete die Tür zur Polizeistation und überließ Uys seinen verdrossenen Gedanken. Er musste den Aktenschrank noch einmal durchsuchen und sich dann Constable Shabalala vorknöpfen. Vielleicht ließen sich dem Schwarzen ja doch ein paar Bröckchen an Wissenswertem entlocken.
    Er schloss die Tür hinter sich und sah auf Hansies Tisch einen abgegriffenen Ordner liegen. Anders als die im Aktenschrank der Wache war dieser hier dunkelblau. Im Dezernat hatte er solch eine Farbe ebenfalls noch nie gesehen. Emmanuel prüfte, ob die Eingangstür und die zu den Zellen geschlossen waren. Keine von beiden konnte er abschließen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er musste schnell handeln. Auf den Deckel war mit der Hand ein blassgelbes, schlangenförmiges S gezeichnet. Die Mappe stammte von der Security Branch.
    Rasch nahm er den Ordner hoch und löste den Verschlussriemen. Drinnen befand sich ein Stapel durchgepauster Papiere, auf deren oberem Ende ein signalrot warnender Stempel prangte: Streng geheim. Emmanuel blätterte sie auf der Suche nach etwas Brauchbarem durch. Er sah, dass auf jeder Seite das Wort Kommunisten stand und darunter fein säuberlich in zwei Spalten aufgeschriebene Namenslisten.
    An ein Pamphlet mit dem optimistischen Titel Neubeginn für Südafrika war ein verschwommenes schwarzweißes Schulabschlussfoto geheftet. Das Gesicht eines jungen Schwarzen mit dickrandiger Brille war rot umkringelt. Unten stand der Name der Schule. Fort Bennington College.
    Emmanuel kannte das College vom Hörensagen. Es war eine anglikanische Missionsschule, die dafür berühmt war, die schwarze Bildungselite hervorzubringen. Ob nun der erste Schwarze, der seine eigene Anwaltskanzlei eröffnet hatte, der erste Arzt mit eigener Praxis nur für Schwarze oder der erste schwarze Zahnarzt – sie alle entstammten dieser Schule. Fort Bennington College erzog Schwarze, die einmal das Land regieren sollten, nicht Wasserträger für die Weißen. Afrikaander und konservative Engländer hassten die Schule aus tiefstem Herzen.
    Ein Husten von den Zellen her zwang Emmanuel, den Ordner zuzuklappen und wieder zu verschnüren. Dieser Ordner war der Beweis, dass Piet und Dickie die Kampfhunde einer mächtigen politischen Kraft waren, die Zugriff auf alle möglichen Informationen hatte. Mit zitternden Händen legte Emmanuel den Ordner zurück und ging zum Aktenschrank, wo er unter U suchte und nichts fand.
    Die Tür zu den Zellen ging auf, und Emmanuel blickte sich über die Schulter um. Es war Piet. Er hatte sich die Hemdsärmel hochgekrempelt, zwischen seinen wulstigen Lippen klemmte eine Zigarette. Der Geheimpolizist öffnete den blauen Ordner und schob ein Blatt Papier hinein.
    »Hatten Sie Spaß in der Farbigenkirche?«, fragte er und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette.
    »Nicht besonders«, antwortete Emmanuel.
    »Wie dumm.« Piet grinste. »Van Niekerk wird nicht begeistert sein, wenn er hört, dass sein Lieblingsjunge mit leeren Händen nach Hause kommt.«
    Emmanuel sah, wie Piet ein paar Rauchringe in die Luft blies, und sein Herz machte einen Satz. Die Security Branch hatte etwas gefunden. N’kosi Duma hatte ihnen etwas Brauchbares geliefert. Piet konnte seine Schadenfreude kaum verbergen.
    »Ist Constable Shabalala da?«, fragte Emmanuel. Es brachte nichts, wenn er den Geheimpolizisten jetzt mit arroganten Bemerkungen kam. Er musste sie umgehen und soviel wie möglich über andere Quellen herausfinden.
    »Draußen im Hof«, sagte Piet. »Sie können hier durch, aber beeilen Sie sich.«
    Emmanuel ging in den hinteren Bereich der Wache. Vor einer offenen Zellentür sah er Dickie stehen. Ein ausgemergelter Schwarzer, vermutlich Duma, drückte sich an die harten Gitterstäbe.
    »Mach dir keine Gedanken …«, verhöhnte Dickie gerade den völlig verängstigten Minenarbeiter im Tonfall einer mitfühlenden Mutter. »Ich bin sicher, deine Genossen werden verstehen, warum du es getan hast.«
    »Dickie!«, warnte Piet seinen Partner, der daraufhin seinen

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