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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Jackentasche passte, aber sehr liebevoll aufgemacht. Er nahm es heraus und strich über den glatten Ledereinband. Der Titel faszinierte ihn: Himmlische Freuden.
    Emmanuel schlug die handgebundenen Seiten auf und las ein paar Zeilen.
    Pflaumenblüte streckte sich in der plüschbezogenen Sänfte aus. Das Einzige, was sie bedeckte, waren zwei rotgoldene Tasseln, die ihre erlesenen Schultern umschmeichelten. Opiumwölkchen entwichen ihren geöffneten Lippen und stiegen auf.
    Die Neugier packte ihn, und er blätterte bis zur Mitte vor. Man sah eine Zeichnung von einem nackten orientalischen Mädchen, das mit gesenkten Augen auf einem Kissen kniete. Durchaus stilvoll, dachte Emmanuel, vielleicht sogar halbwegs literarisch, aber eben trotzdem ein Buch zum Masturbieren. Er steckte es ein.
    »Hmmm …« Die Dienstmagd Aggie meldete sich wieder und gab ihm zu verstehen, dass sie sehr wohl gesehen hatte, wie er das Buch einsteckte.
    Emmanuel wandte ihr weiterhin den Rücken zu und durchsuchte die restlichen Schubladen. Ganz egal, wie empört die stumme Bedienstete sein mochte, er würde das Pretorius-Haus mit der Polizeiakte und dem Buch verlassen.
    Die übrigen Schubladen verrieten nur noch die Vorliebe des Captains für gestärkte Unterhemden, karierte Schlafanzüge und langweilige olivfarbene Socken. Emmanuel trat noch einmal ans Bett und schaute darunter, entdeckte aber nicht einmal ein Stäubchen.
    Schließlich wandte er sich der gut gepolsterten Dienstmagd zu, die ihr ganzes Gewicht an den Türpfosten lehnte. Es war erst halb zehn Uhr morgens, trotzdem sah sie schon so aus, als könnte sie ein Nickerchen gebrauchen.
    »Was machen Sie hier im Haus?«, schrie Emmanuel auf Zulu. Ein Gespräch auf Englisch hätte Aggie möglicherweise ins Koma versetzt.
    »Saubermachen«, antwortete sie in ihrer Muttersprache. »Und den Schlüssel verwahren.«
    »Welchen Schlüssel?«
    Sie kramte in ihrer Schürzentasche herum und zog den Schlüssel zum Gästezimmer hervor. Dann zeigte sie ihn in ihrer offenen Hand vor, sagte aber nichts.
    »Sie haben den Schlüssel zu diesem Zimmer?«
    Die Dienstmagd nickte.
    »Wie ist der Captain dann hineingekommen?«
    »Er hat nach dem Schlüssel gefragt.«
    Die getreue Haushälterin Aggie war also die Torwache. Aber wie gelangte William Pretorius dann hinein, wenn er spät abends vom Angeln heimkam?
    »Hat er Sie aufgeweckt und sich den Schlüssel geholt, wenn er nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause kam?«
    »Nein. Dann hat er mir vorher gesagt, wo ich den Schlüssel lassen sollte.«
    »Sie haben den Schlüssel auf dem Tisch gelassen oder so?«
    »Er hat mir gesagt, wo ich den Schlüssel lassen sollte«, wiederholte Aggie ihren Satz und wedelte ihn ungeduldig aus dem Zimmer heraus. Sie wollte weiter.
    Emmanuel trat auf den Flur hinaus.
    »Und wo haben Sie den Schlüssel dann gelassen?«
    »Im Blumentopf, hinter dem Zuckersack, im Teekessel. Wo immer er ihn gerade haben wollte.«
    »Tatsächlich?« Emmanuel konnte nur staunen über das unbedingte Verlangen des Captains nach Geheimhaltung. Er führte sich geradezu auf wie ein verdeckter Ermittler, dessen größte Gefährdung in der Aufdeckung seiner wahren Identität lag.
    »Warum, glauben Sie, wollte er jedes Mal ein anderes Versteck haben?«, fragte Emmanuel, während Aggie den Schlüssel schon mit ihren knotigen Händen ins Schlüsselloch schob.
    Dem Achselzucken der ausgelaugten Frau war zu entnehmen, dass sie es schon lange aufgegeben hatte, die seltsamen Anwandlungen der Weißen verstehen zu wollen.
    »Der Baas hat gesagt: Leg ihn in den Teekessel. Also lege ich ihn in den Teekessel.«
    Was die Magd betraf, war damit alles gesagt. Es stand einer Bediensteten nicht zu, die Wünsche des Hausherrn zu hinterfragen oder verstehen zu wollen, warum die Missus die Wäsche nur so und nicht anders aufgehängt haben wollte.
    »Aggie?«, rief Mrs. Pretorius von der hinteren Veranda aus. »Aggie!«
    Die schwarze Dienstmagd hörte die Missus nicht. Sie war vollauf damit beschäftigt, den Schlüssel ins Schloss zu befördern, so schnell ihre morschen Finger es zuließen.
    »Ich gehe jetzt nach draußen und trinke Tee mit der Nkosikati«, erklärte er ihr und ging nach hinten. Wenn er auf Aggie wartete, würde es Zeit zum Mittagessen sein, bevor sie endlich draußen waren.
    An der langen Vitrine, die die Längsseite des großen Wohnzimmers einnahm, blieb er stehen und nahm das Foto von Frickie van Brandenburg und seiner Familie hoch. Von Bildern kannte er den

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