Ein schöner Ort zu sterben
teilhaben, aber er ist noch zu jung, um lange von zu Hause fort zu sein. Die Trennung hat ihm nicht gut getan.«
Emmanuel wartete. Durch einen Riss im heiligen Panzer der Witwe hatte er einen Zweifel aufblitzen sehen. Louis war ihre schwache Seite, und hinter seiner Rückkehr vom Theologischen Institut steckte mehr.
»Wissen Sie, mein Vater hat auch einmal sein Studium unterbrochen. Als er sich dann wieder der Kirche zuwandte, war er stärker denn je und noch besser befähigt, den Menschen den richtigen Weg zu weisen. Louis wird eine gewisse Zeit auf Johannes’ Farm verbringen, damit er das Land und die Sorgen des Volkes kennenlernt. Danach geht er zurück ans Theologische Institut. Und wenn er es dann verlässt, wird er ein Löwe Gottes sein.«
Emmanuel sah den unerschütterlichen Glauben in ihren Augen.
»Vielleicht wird Louis aber auch einfach Farmer oder Geschäftsmann wie seine Brüder.«
»Nein, nicht Louis.« Ihr Lächeln hinterließ Eiszapfen am Rand ihrer Teetasse. »Er ist nicht wie die anderen. Schon als Kind hatte er diese Gabe der Freundlichkeit und des Mitgefühls. Er ist zu Höherem bestimmt, als diese Stadt ihm bieten kann.«
Mrs. Pretorius hatte große Träume, das musste Emmanuel ihr lassen. Ihre Söhne beherrschten zwar Jacob’s Rest, aber sie hatte noch größere Ambitionen. Sie wollte einen Anführer des Volkes, der ihre Nation in ein Heiliges Land verwandeln konnte. Dass der Junge für diesen Job gänzlich ungeeignet war, entging ihr vollkommen.
»Hatte der Captain in Bezug auf Louis dieselben Träume wie Sie?«
»Das sind nicht meine Träume, Detective. Es sind Louis’ Träume.« Diesmal kroch die Kälte ihres Lächelns Emmanuel bis in die Knochen. Sie war van Brandenburgs Tochter. Wer sich ihrem Willen widersetzte, widersetzte sich dem Willen Gottes.
Es war kein Wunder, dass Willem Pretorius und sein Sohn sich nachts auf den Kaffernpfaden herumtrieben. Zu Hause schwang eine Frau mit Feuer in den Augen und Eis im Herzen das Zepter.
Emmanuel trank seinen Tee aus. Mrs. Pretorius’ Heim war das Vorzeigemodell ihrer Vorstellung davon, wie Burenleben auszusehen hatte. Wenn er tatsächlich nachweisen konnte, dass der Captain etwas mit dem Import anstößigen Materials zu tun gehabt hatte, würde sie zur Läuterung das Haus niederbrennen.
»Willem hat diesen Ort und diese Menschen so sehr gemocht.« Die blauen Augen der Witwe wurden glasig, als sie über den Zaun hinaus in den Busch sah. »In dieser Hinsicht war er wie ein Eingeborener. Das Land bedeutete ihm alles. Ich weiß, ihr Engländer lacht darüber, dass wir uns für den weißen Stamm Afrikas halten, aber auf Willem traf das zu. Er war ein echter Afrikaner.«
Zweifellos hatte der Captain eine große Geistesverwandtschaft zu den Afrikanern verspürt. Seine Nähe zu Shabalala hatte Lieutenant Sarel Uys sehr verbittert, und vielleicht war der nicht der Einzige, dem das Verhältnis zwischen Willem Pretorius und dem schwarzen Constable missfallen hatte.
»Glauben Sie, dass die guten Beziehungen des Captains zu den Schwarzen einigen Weißen vielleicht ein Dorn im Auge waren?«, fragte Emmanuel.
Er dachte an Uys, der ja immerhin gerade aus Mosambik zurückgekehrt war. Hatte der mürrische kleine Mann vielleicht seinen Wagen jenseits der Grenze abgestellt, war dann quer durch den Fluss und wieder zurück geschwommen, nachdem er das Verbrechen verübt hatte? Danach hätte er sich nur noch zwei Tage unauffällig verhalten und bräunen müssen, bevor er wieder in Jacob’s Rest auftauchte.
»Auf gesellschaftlicher Ebene hatte Willem keinen Kontakt mit ihnen«, erklärte Mrs. Pretorius klipp und klar. »Er kannte sie eben, weil er hier aufgewachsen war. Als Police Captain musste er mit ihnen reden und sich mit ihnen abgeben. Die Leute haben das verstanden.«
»Natürlich.« Emmanuel stellte die Teetasse ab. Willem Pretorius hatte mehr getan, als die schwarze Bevölkerung nur als Gesetzeshüter zu betreuen. Er hatte sich Shabalala und die rheumatische alte Dienstmagd Aggie ausgesucht, um seine Geheimnisse zu bewahren. Das war ein Vertrauensbeweis.
Die neuen Rassentrennungsgesetze etablierten nun ganz offiziell eine schon lange existierende Vorstellung, dass der Stamm der Schwarzen und der Stamm der Weißen von Gott erschaffen waren, um sich voneinander fernzuhalten und unabhängig voneinander zu gedeihen. Jeder dieser Stämme hatte seinen eigenen, natürlichen Lebensbereich. Nur Entartete übertraten die Grenze auf die andere,
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