Ein Todsicherer Job
zeigte auf den Toaster. »Du willst mich verarschen, oder?«, sagte Charlie.
»Mama«, sagte Sophie zum Kühlschrank.
»Na, super«, sagte Charlie.
Er las weiter und begriff, dass Dr. Kübler-Ross absolut Recht hatte. Jeden Morgen, wenn er aufwachte und einen neuen Namen samt Zahl auf dem Tagesplaner neben seinem Bett vorfand, durchlitt er beim Frühstück alle fünf Schritte dieses Vorgangs. Und da er sie nun benennen konnte, erkannte er die einzelnen Schritte auch in den Familienmitgliedern seiner Klienten. So bezeichnete er die Leute, deren Seelen er abholte: Klienten.
Dann las er ein Buch mit dem Titel »Die letzte Tüte«, in dem es darum ging, wie man sich mit einem Plastikbeutel umbrachte, aber es schien kein besonders wirkungsvolles Buch zu sein, denn auf der Rückseite stand, dass es noch zwei Fortsetzungen gab. Er stellte sich die Fanpost vor: » Lieber Autor: Ich war fast tot, aber dann ist meine Tüte von innen beschlagen und ich konnte den Fernseher nicht mehr erkennen und hab ein Guckloch reingepiekst. Wenn alles gut geht, versuche ich es mit Ihrem nächsten Buch noch mal. « Das Buch half Charlie nicht besonders, verstärkte nur seine Plastiktütenparanoia.
Im Laufe der folgenden Monate las er: Das Ägyptische Totenbuch , aus dem er lernte, wie man jemandem das Gehirn mit einem Haken aus der Nase zog, was er sicher eines Tages mal brauchen konnte; ein Dutzend Bücher über den Umgang mit Tod, Trauer, Bestattungsriten und Mythen der Unterwelt, aus denen er lernte, dass es seit Anbeginn der Zeit Personifizierungen des Todes gegeben hatte und keine davon aussah wie er; und Das Tibetische Totenbuch , aus dem er erfuhr, dass »Bardo«, der Übergang von einem Leben zum nächsten, neunundvierzig Tage dauerte und einem dabei etwa dreißigtausend Dämonen begegneten. Diese wurden in allen Details beschrieben, aber kein Einziger sah wie eine Gullyhexe aus, so dass man sie allesamt einfach ignorieren konnte. Die Seelen mussten keine Dämonen fürchten, denn diese waren nicht real, da sie der materiellen Welt entstammten.
»Komisch«, sagte Charlie zu Sophie, »in diesen Büchern heißt es, die materielle Welt sei unbedeutend, und doch hole ich Seelen zurück, die an ein materielles Objekt gebunden sind. Es macht den Eindruck, als wüsste die linke Hand des Todes nicht, was die rechte tut. Findest du nicht auch?«
»Nein«, sagte Sophie.
Mit ihren achtzehn Monaten beantwortete Sophie sämtliche Fragen entweder mit »Nein«, »Keks« oder »wie Bär«, wobei Charlie Letzteres dem Umstand zuschrieb, dass er Sophie zu oft Mrs. Korjews Obhut überließ. Nachdem die Schildkröten, zwei weitere Hamster, ein Einsiedlerkrebs, ein Leguan und zwei Breitmaulfrösche in den großen Wok im Himmel (genauer gesagt: im zweiten Stock) eingegangen waren, brachte Charlie schließlich eine acht Zentimeter lange Madagaskar-Fauchschabe mit nach Hause, der er den Namen »Bär« gab, damit seine Tochter auf ihrem bevorstehenden Lebensweg nicht ausschließlich Blödsinn redete.
»Wie Bär«, sagte Sophie.
»Sie meint die Kakerlake«, sagte Charlie.
»Sie meint nicht die Kakerlake«, sagte Jane. »Welcher Vater kauft seiner kleinen Tochter Ungeziefer? Das ist ja ekelhaft.«
»Angeblich sind sie nicht umzubringen. Es gibt sie schon seit hundert Millionen Jahren. Oder war es der weiße Hai? Jedenfalls sollen sie schwer zu halten sein.«
»Wieso gibst du es nicht auf, Charlie? Schenk ihr doch Stofftiere.«
»Kleine Kinder sollten ein Haustier haben. Vor allem kleine Stadtkinder.«
»Wir waren Stadtkinder, und wir hatten auch keine Haustiere. «
»Ich weiß, und sieh dir an, was aus uns geworden ist...«, sagte Charlie und zeigte zwischen ihnen beiden hin und her, zwischen ihm, dem Boten des Todes, der eine Riesenschabe namens Bär besaß, und ihr, die schon ihre dritte Yogalehrerin in sechs Monaten hatte und seinen neuesten Tweed-Anzug trug.
»Wir haben uns prima entwickelt, zumindest einer von uns beiden«, sagte Jane und deutete dabei auf ihren schmucken Anzug wie ein Game-Show-Model, das den großen Preis bei WER WIRD ANDROGYN? vorführt. »Du solltest etwas zulegen. Das Ding spannt am Po«, sagte sie, wie eh und je besessen von sich selbst. »Arsch frisst Hose?«
»Das will ich überhaupt nicht wissen«, sagte Charlie.
»Sie bräuchte keine Haustiere, wenn sie mal vor die Tür käme«, sagte Jane und zupfte am Zwickel ihrer Hose herum. »Geh mit ihr in den Zoo, Charlie. Zeig ihr mal was anderes als immer nur diese
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