Ein unmoralischer Handel
machen.«
Fachmännisch schloss er die Bänder, wobei ihm die leise Spannung nicht entging, die sie erfasste, als er sie berührte. Er überließ es ihr, sich im Halbdunkel die Strümpfe anzuziehen, und kleidete sich selbst rasch zu Ende an. Als er seinen Rock überzog, war sie bereits in Umhang und Schleier. Er war nicht überrascht von ihrer plötzlichen Flucht in die Anonymität, aber diesen Schleier war er allmählich wirklich leid.
Sie schaute ihn an. »Ich finde allein hinaus.« Sie war ein wenig atemlos.
»Nein.« Er schlenderte zu ihr hinüber. »Ich werde dich zu deiner Kutsche begleiten.«
Ihr ging durch den Kopf, ihm zu widersprechen, das konnte er aus ihrer Haltung ablesen. Doch dann willigte sie mit einem angedeuteten Nicken ein. Nicht arrogant, sondern vorsichtig.
Ohne ein weiteres Wort begleitete er sie aus dem Zimmer, die Treppen hinunter und durch die Eingangshalle. Der verschlafene Portier ließ sie heraus, ohne einen Blick auf sie zu werfen, er war viel zu beschäftigt damit, ein Gähnen zu unterdrücken.
Ihre schwarze Kutsche wartete ein Stück die Straße hinunter. Er half ihr hinein, dann wandte sie sich zu ihm um. Er spürte, wie ihre Blicke sein Gesicht suchten, das von einer Straßenlampe in der Nähe erleuchtet wurde. Sie neigte noch einmal den Kopf.
»Danke.«
Die sanften Worte schmeichelten seinen Sinnen. Er war sich ziemlich sicher, dass es nicht für seine Bemühungen hinsichtlich der Gesellschaft war, wofür sie ihm dankte.
Sie verschwand in der dunklen Kutsche, er schloss die Tür und nickte dem Kutscher zu. »Fahren Sie los.«
Die Kutsche ratterte davon. Er füllte seinen Brustkorb mit einem langen, tiefen Atemzug, sah ihr nach, bis sie um die Ecke bog, atmete aus und machte sich auf den Heimweg. Das Erfolgsgefühl, das ihn durchströmte, war tiefgehend und überaus zufrieden stellend. Überaus befriedigend.
Alles - einfach alles - entwickelte sich prächtig.
9
A lso Miss, was ist denn nur los mit Ihnen?«
Alathea schrak zusammen. Im Spiegel der Frisierkommode sah sie, wie Nellie ihre Kissen aufschüttelte und das Bett lüftete.
Nellie fing ihren Blick auf. »Nun, seit mindestens fünf Minuten starren Sie schon in diesen Spiegel hinein, und ich möchte wetten, ohne irgendetwas zu sehen.«
Alathea tat die Frage mit einer Handbewegung ab und betete dabei, dass sie nicht rot wurde, dass ihr Gesicht ihre Gedanken nicht verriet. Gott bewahre!
»Dieses Treffen letzte Nacht muss ja ziemlich lange gedauert haben - es war schon vier Uhr durch, als Sie heimkamen. Jacobs hat gesagt, Sie waren die ganze Zeit da drin.«
Alathea nahm ihre Bürste zur Hand. »Wir mussten noch über all das sprechen, was wir erfahren hatten.«
»Dann haben Sie also etwas über diese grässliche Gesellschaft herausgefunden - Sie und Mr Rupert?«
»In der Tat.« Als sie begann, mit der Bürste ihr Haar zu bearbeiten, zwang Alathea ihr Gehirn, sich auf diesen Aspekt der vergangenen Nacht zu konzentrieren. »Wir haben genug erfahren, um unsere Klage zu untermauern. Alles, was wir jetzt noch tun müssen, ist, die passenden Beweise zusammenzustellen, dann ist die Sache erledigt.«
Leichter gesagt als getan, zweifellos, aber sie war überzeugt, dass die vergangene Nacht sie auf Erfolgskurs gebracht hatte. Trotz ihrer zurückhaltenden Äußerungen Gabriel gegenüber hatte sie das Gefühl, zum ersten Mal wirklich Boden gutgemacht zu haben; sie hatte erstmals einen Vorgeschmack auf den Sieg bekommen, den sie letztlich davontragen würden.
Sie hatte vorsichtig ihre Erleichterung vor ihm verbergen wollen, aus Angst, er könnte sie bemerken und Gewinn daraus schlagen.
Na ja, er hatte so oder so Gewinn daraus geschlagen.
Und sie ja auch.
»Lassen Sie mich das machen.« Nellie entwand die Bürste ihrem lockeren Griff. »Sie sind heute Morgen wirklich zu nichts zu gebrauchen.«
Alathea blinzelte. »Ich war nur … in Gedanken versunken.«
Nellie warf ihr einen scharfen Blick zu. »Tja, sieht mir ganz danach aus, als gäbe es bei dem Treffen letzte Nacht eine Menge Fakten, die Sie erst noch verdauen müssen.«
»Mmh.« Fakten. Empfindungen, Gefühle - Entdeckungen. Sie hatte tatsächlich eine Menge, worüber sie nachdenken musste.
Den ganzen Tag schon wanderte ihr Geist hin und her, überlegte, grübelte, durchlebte die goldenen Momente und bewahrte jeden einzelnen davon gut in ihrem Gedächtnis als Vorrat für die kalten Jahre, die nun folgen würden. Wieder und wieder wurde sie brutal in die Gegenwart
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