Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
ist.«
Aber wann würde das sein?
»Deine Augen sind blauviolett«, fuhr er fort. »Das gibt es sehr selten auf Sizilien. Und es ist sehr selten bei Seeglas.«
»Seeglas?« Sie hatte sich auf die Ellbogen gestützt und ließ sich jetzt neben ihn in den Sand fallen. Er hatte wirklich ein paar einfallsreiche Anmachsprüche auf Lager.
Er hatte nicht aufgehört, ihr Haar zu streicheln. »Grün, bernsteinfarben oder braun, diese Farbtöne sind ziemlich verbreitet. Aber das perfekte, vom Meer geschliffene Blauviolett zu finden …« Betrübt schüttelte er den Kopf.
»Dann hast du ja Glück, es in Fleisch und Blut vor dir zu haben«, sagte sie.
Er lächelte. »Du bist auch provozierend.« Er rückte ein wenig näher heran. »Und interessant. Witzig. Und kannst mich wütend machen.«
»Oh, ich verstehe.« Sie lachte. Eine unwiderstehliche Mischung, was? »Du bist selbst auch nicht so übel.«
»Und …« Der Blick aus seinen dunklen Augen verbrannte sie fast.
Wie flüssige Lava, dachte sie. Wie schwarzes Öl. O Gott! »Und?« Ihre Stimme zitterte. Was war bloß mit ihr los? Man hätte ja meinen können, sie hätte noch nie mit einem überwältigend attraktiven, sexy Mann am Rande des Paradieses gelegen. Genau.
Er berührte ihre Lippen mit einem Finger. »Und ich möchte dich küssen. Noch einmal.«
Tess hatte keine Zeit zu überlegen, was sie von dieser Aussicht hielt, obwohl ihre Antwort wahrscheinlich ja bitte, oh ja bitte gelautet hätte, denn schon lag sein Mund auf ihrem und schmeckte nach Honig, Ricotta und Prosecco, alles zusammen, und es war so gut, zu gut, und dann kam sein Körper näher, noch näher, und er berührte ihre Schultern und ihre Schenkel und küsste ihren Hals, ihren Nacken, ihre Brüste und …
Sie versank. Sie verlor sich unrettbar in diesen Empfindungen und genoss jede sinnliche, selige Sekunde davon.
Minuten später, als er gerade ihren Hals küsste und versuchte, ihr mit der anderen Hand das Bikinihöschen auszuziehen, spürte sie, wie er innehielt. Er ließ die Hand auf ihrem Schenkel liegen, hob den Kopf und sah über ihre Schulter aufs Meer hinaus. Leise fluchte er.
»Was ist?« Tess setzte sich langsam auf.
»Das Meer wird zornig«, murmelte er.
Tess glitt mit der Fingerspitze an der Narbe in seinem Gesicht entlang, spürte den Konturen seines Wangenknochens nach und legte den Finger dann auf seine Lippen. Aber er achtete nicht mehr darauf. Sie folgte seinem Blick und versuchte, wieder ruhiger zu atmen. In der Ferne sah sie, dass die Wellen aufgepeitscht waren und weiße Schaumkronen trugen. »Da draußen sieht es ein wenig böig aus«, pflichtete sie ihm bei. Auch näher am Ufer war das Wasser jetzt in Bewegung, nicht mehr ruhig und glatt wie noch vor einer Stunde.
Eine Sekunde später stand Tonino schon auf seinen Füßen. »Das ist ein sehr starker Wind«, erklärte er. »Wir müssen zurück in den Hafen, sonst sitzen wir hier fest. Komm.« Er nahm ihre Hand, und sie stand auf.
Wäre das wirklich so schlimm, dachte Tess. Aber sie vergeudete keine Zeit. Sie warf die Picknicksachen in den Korb, schnappte sich ihr Handtuch und rannte den Strand entlang zum Boot. Plötzlich fühlte sich der Wind um ihre nackten Schultern kalt an.
»Wie lange haben wir noch Zeit?«, fragte sie ihn.
Er half ihr ins Boot. »Zehn, fünfzehn Minuten.« Schon machte er das Boot los. Er schob es ins Wasser und sprang hinein, startete den Motor, und dann waren sie unterwegs. Tonino gab Vollgas; das Boot hüpfte krachend von Welle zu Welle und raste zurück, auf die Bucht von Cetaria zu.
Wir fahren mit dem Wind um die Wette, dachte Tess, schob sich das Haar aus dem Gesicht und versuchte, ihn nicht anzusehen. Sie war nicht besorgt, sondern eher aufgeregt. Er hatte zehn Minuten gesagt, also würden sie in zehn Minuten in Sicherheit sein. Das Meer wogte heftig, und das kleine Boot wurde ordentlich herumgeworfen. Aber sie würden es schaffen, da war sie sich sicher.
Er griff nach ihrer Hand. » Mi scusi, Tess. Es tut mir leid.«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Gut, dass er dem Meer tief genug verbunden war, um solche Wetterumschläge zu spüren, besser, als wenn er blind dafür gewesen wäre. Trotzdem … Sie war sich des warmen, fast schmerzhaften Begehrens in ihrem Inneren bewusst. Es wäre passiert. Es hätte passieren sollen. Aber es war nicht geschehen. Noch nicht.
Als sie den Hafen erreichten, war der heulende Wind ihnen dicht auf den Fersen. Hinter ihnen schlugen die Wellen hoch, und das
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