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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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offene Meer hatte seine Farbe dramatisch verändert, von Türkisgrün zu einem schlammigen Grau. Tess hatte sich einen Pullover übergezogen, zitterte aber immer noch. Ihr Haar war vom Salzwasser verfilzt und vom Wind zerzaust. Der Wetterumschwung war schnell gekommen; nie hätte sie gedacht, dass das Mittelmeer so stürmisch sein könnte.
    »Keine Sekunde zu früh«, meinte Tonino, steuerte das kleine Boot ans Ufer und half Tess heraus.
    Er hatte es gerade sicher vertäut, als sein Handy piepend den Eingang einer SMS anzeigte. Er sah Tess entschuldigend an, las sie und runzelte die Stirn.
    »Ein Problem?« Tess überlegte, ob sie ihn noch auf einen Kaffee einladen sollte. Es war nicht besonders originell, und sein Kaffee war um vieles besser als ihrer, aber sie wollte nicht, dass der Nachmittag schon zu Ende war.
    In seinen Augen zuckte es. »Ich muss mich mit ein paar Leuten treffen«, erklärte er. »Angeblich ist die Sache dringend.«
    »Okay.« Die Enttäuschung traf sie wie ein Faustschlag. Schließlich gab es da zwischen ihnen noch einen offenen Punkt, wenn man es denn so nennen wollte. Andererseits ging alles so schnell; vielleicht war es ja besser, das Ganze etwas langsamer angehen zu lassen. »Ist schon in Ordnung«, gab sie munter zurück. »Geh nur. Wir sehen uns …«
    »Später«, sagte er. Sanft berührte er ihr Gesicht. »Um sieben?«
    »Um sieben.« Sie wusste, was er meinte. Es gab kein Zurück mehr.

42. Kapitel
    N ein, Tess wollte nicht, dass der Nachmittag schon zu Ende war. Statt in der Villa zu bleiben, schnappte sie sich daher ihren Regenmantel vom Haken in der Diele und lief über die Treppe wieder zurück in den baglio . Sie würde Santina besuchen.
    Mit hochgeschlagenem Kragen rannte sie durch die Pfützen im baglio und suchte Zuflucht in Hauseingängen, wenn der Regen stärker wurde. Trotzdem war sie durchnässt, als sie die Hausnummer 15 erreichte und an die Tür mit der abblätternden grünen Farbe und dem rostigen Gitter klopfte. Sie trat so nahe heran, wie sie konnte, um aus dem Regen herauszukommen, und drückte sich selbst die Daumen, dass Giovanni nicht zu Hause wäre.
    Santina öffnete die Tür zunächst einen Spalt breit und riss sie dann weit auf. »Tess!« Es folgte ein Schwall unverständlicher italienischer Worte, dann zog sie Tess in die schäbige, blutrot gestrichene Diele. »Immer herein, immer nur herein, mein Kind«, sagte sie.
    Gott sei Dank, Giovanni war offensichtlich ausgegangen.
    Tess wurde den schmalen, mit Fotos, Diplomen und religiösem Kitsch geschmückten Flur entlang in die Küche geschoben, wo Santina offensichtlich gerade Gemüse geputzt hatte. Spinat und Bohnen lagen zusammen mit einem kleinen scharfen Messer auf einem Holzbrett neben der emaillierten Spüle, und weiteres Gemüse war in einem Metallsieb aufgehäuft. »Tut mir leid, wenn ich Sie störe …«, begann Tess.
    »No, no, no …« Mit Gesten bedeutete Santina ihr, die nassen Sachen auszuziehen.
    Tess kam dieser Bitte nur zu gern nach.
    Die alte Frau nahm den Mantel und hängte ihn auf einen Haken am Herd, wobei sie unaufhörlich mit der Zunge schnalzte und den Kopf schüttelte. »Kaffee?«, fragte sie und zeigte auf die kleine Espressokanne. »Dolce?«
    Tess nickte. »Wunderbar.« Sie brannte darauf, ihre Fragen loszuwerden. »Giovanni?«, fragte sie.
    Santina zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?«, antwortete sie. »Die Sciarra-Männer gehen seit jeher ihre eigenen Wege.«
    Das faszinierte Tess. »Aber Sie sind doch auch eine Sciarra«, wandte sie ein. »Sie gehören zur selben Familie.« Denn sie wusste, dass die Familien auf Sizilien zusammenhielten.
    Santina berührte ihre Stirn. »Ich anders«, erklärte sie. Heftig schüttelte sie den Kopf. »Ich anders.«
    Wahrscheinlich war es eine Sache, mit seiner Familie und ihrer Lebensweise nicht einverstanden zu sein, aber eine andere, sich von ihr abzuwenden. »Sie haben nie geheiratet?«, fragte sie.
    Santina drehte Tess den Rücken zu, um die Espressokanne am Spülbecken mit Wasser zu füllen. »Nie passieren«, sagte sie. »Meistens um Männer der Familie kümmern.« Als sie sich wieder umwandte, stand ein seltsam trotziger Ausdruck in ihren dunklen Augen. »Ich auch das Feuer im Leib.« Sie tätschelte ihren Bauch. »Ich tun, was ich kann.«
    Tess nickte. Wie Muma, dachte sie, während Santina die Espressokanne zum Herd trug und Kaffee aus einer kleinen Dose hineingab. »Woher wussten Sie das?«, fragte Tess. »Dass das Herz meiner Mutter

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