Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
eine SMS. Negativ, Buddha sei Dank. Mein Dad ist heute aufgekreuzt. Komisch, oder?
49. Kapitel
T ess wollte gerade tauchen gehen, als ihr Handy klingelte. Schwimmen war die beste Katermedizin. Ein Tauchgang war vielleicht nicht dasselbe, aber Tess wollte die Felseninseln und die Unterwasserwelt westlich der Bucht von Cetaria weiter erkunden.
Tess ging dran. Es war ihre Mutter. »Hallo, Muma.«
»Tess.« Die Stimme ihrer Mutter klang nicht so fest wie sonst.
»Ist alles in Ordnung?« Sie hatte erst gestern Abend mit Ginny gesprochen, aber sie spürte die gewohnte Panik in sich aufsteigen. Wahrscheinlich konnten Mütter das nie ganz ablegen.
»Prima, alles bestens«, versicherte ihre Mutter ihr rasch. »Aber es ist etwas passiert, Liebes. Vielleicht sollte ich besser sagen, jemand.«
Tess runzelte die Stirn. »Was meinst du damit? Hat es etwas mit Ginny zu tun? Geht es ihr gut?«
Sie konnte hören, wie ihre Mutter tief durchatmete. »Ich weiß nicht recht, wie ich dir das sagen soll, Schatz«, erklärte sie. »Es ist David.«
»David?«
»Ja. Er ist heute Mittag hier aufgetaucht und wollte Ginny besuchen.«
Nachdem sie das Gespräch mit Muma beendet hatte, versuchte sie, Ginny zu erreichen. Sie wusste zwar, dass sie auf der Arbeit war, aber sie versuchte es trotzdem, erfolglos. Tess beschloss, trotzdem tauchen zu gehen. Sie musste nachdenken. Warum in aller Welt kreuzte David nach so vielen Jahren wieder bei ihnen auf? Was wollte er von ihr? Besser gesagt, was wollte er von Ginny?
Nach ihrer Tauchkarte begann das Naturschutzgebiet gleich westlich des Strandes, genau hier. Der Bootsausflug mit Tonino hatte sie natürlich schon weiter in das Gebiet hineingeführt. Aber davon, dass ein perfekter Nachmittag ziemlich übel geendet hatte, würde sie sich nicht abhalten lassen, noch einmal hierherzukommen. Das war ihr Leben, und sie bestimmte allein darüber. Sie hatte nicht vor, es sich von den Robins, den Davids oder den Toninos dieser Welt verderben zu lassen, aus welchem Grund auch immer. Sie würde jetzt tauchen gehen und anschließend mit Ginny sprechen. Und danach? Das würde sie sehen.
Während sie ihre Ausrüstung zusammensuchte, überlegte sie, wie Tonino reagieren würde, wenn er sah, dass sie wieder alleine tauchen ging. Sollte sie lieber nicht am Strand tauchen, sondern vielleicht ein Boot mieten und ein Stück die Küste hinunterfahren? Zum Teufel, dachte sie dann, das war sein Problem. Sie wollte von diesem Strand aus tauchen. Das war sicherer und machte weniger Umstände, als allein mit einem Boot hinauszufahren. Da konnte er toben und schimpfen, so viel er wollte; ihr Wohlergehen ging ihn nichts an.
Auch heute war wieder ein sonniger Tag, und als Tess zur Bucht hinunterging, schlenderten ein paar Touristen durch den baglio . Eine Familie scharte sich um Tonino, der sich vor seiner Werkstatt über die Mosaikplatte eines runden Tisches beugte und mit einem Schwamm Kitt in die Fugen zwischen einigen Glasstücken strich. Sie bewunderten die Mosaiken, darunter auch einige Kerzenhalter aus Schiefer und Seeglas und zwei weitere Tische mit Mosaikplatte, die Tonino nach draußen gestellt hatte.
Sie stellten ihm Fragen zu einem der Tische, und er schenkte ihnen seine volle Aufmerksamkeit. Das bedeutete wenigstens, dass sie nicht mit ihm zu sprechen brauchte. Liebe , dachte sie. Hatte er das wirklich gesagt?
Die Sauerstoffflasche auf den Rücken geschnallt und die Flossen in der Hand, stapfte Tess in ihrem Neoprenanzug an ihnen vorbei. Tonino warf ihr einen langen, durchdringenden Blick zu und wandte sich dann wieder den deutschen Touristen zu.
Was erwartete sie eigentlich? Er hatte ihr erzählt, was seinem Freund zugestoßen war, was aus seinen Eltern geworden war und aus dem Mädchen, das er geliebt hatte. Schließlich hatte er ihr anvertraut, was zwischen ihrer beider Großeltern vorgefallen war. Das alles war eine ziemliche Last auf den Schultern eines einzigen Menschen.
Tess musste darüber nachdenken – und über David.
Das Meer fühlte sich wärmer an als gestern. Tess ging ein Stück hinein, rückte ihre Atemmaske zurecht, zog die Flossen an und nahm die üblichen Kontrollen vor. Draußen bei den Felsen waren ein paar Schwimmer unterwegs. Sie fragte sich, ob Tonino sie vor den Quallen gewarnt hatte.
Sie schwamm auf die Felseninseln zu, und als das Wasser tief genug war, tauchte sie unter. Sie blieb entspannt und setzte so wenig Energie wie nötig ein, um ihre Luftvorräte zu schonen. An den
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