Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Felsen sah sie ein paar Fahnenbarsche fressen. Die Schwimmer waren in der Zwischenzeit wieder an Land gegangen, und Tess genoss das Gefühl, allein im Ozean zu sein, nur mit den Fischen zur Gesellschaft.
Sie ließ ihre Gedanken schweifen, während sie in den Felsspalten herumstocherte und Steine hochhob, unter denen Seeigel, Seesterne und sogar ein paar leuchtend rote Meereschen zum Vorschein kamen. Es war so friedlich hier unten, so still.
Also, aus irgendeinem Grund war David in Pridehaven aufgekreuzt. Er hatte sich die Adresse ihrer Mutter besorgt, indem er Lisa etwas vorgelogen hatte, und Ginny war bereit gewesen, sich mit ihm zu treffen.
Nun ja, das konnte sie ihr nicht verübeln. Er war ihr Vater, auch wenn er nie für sie da gewesen war. Sie war kein Kind mehr, aber sie war auch noch nicht wirklich erwachsen. Trotzdem konnte sie selbst entscheiden, wie Tess zugeben musste.
An einigen Stellen war das Wasser von einem hellen, leuchtenden Grün, und die Pflanzen und Schwämme wiesen unterschiedliche Schattierungen von Orange und Violett auf. Tess ließ ein paar Halme durch ihre Finger gleiten. Neptungras. Es war magisch hier unten, ein Unterwasser-Wunderland. Hier unten schien alles so einfach zu sein. Probleme wie Tonino, uralte Familienrivalitäten und der ganze andere Familienkram existierten einfach nicht. Das machte einen Teil der Anziehung aus, die das Meer auf sie ausübte.
Tess glitt behutsam durch einen breiten Felsspalt. Auf der anderen Seite sah die Unterwasserwelt anders aus. Das Wasser war heller und grüner, die Schwämme wiesen lebhaftere Farben auf, und es waren mehr Fische unterwegs.
Sie setzte ihre Erkundung fort und ließ ihre Ängste nach und nach mit der Strömung davontreiben. »Tu nichts Unüberlegtes«, hatte ihre Mutter gesagt. »Es gibt nichts, weswegen du dir Sorgen zu machen brauchst.«
Doch als sich Tess nach Überprüfung ihrer Messgeräte auf den Rückweg zum Ufer machte, wobei sie langsam und auf natürlichem Wege dekomprimierte, je flacher das Wasser wurde, war ihr klar, dass sie zurück nach England musste. Denn ihr Instinkt als Mutter befahl ihr, ihr Kind zu schützen. Wenn es sein musste, sogar vor seinem eigenen Vater.
50. Kapitel
A ls Lenny nach Hause kam, erzählte Flavia ihm von David. Lenny hatte Gartenarbeiten für eine Nachbarin erledigt. Dabei war Edna fit wie ein Turnschuh. Flavias persönlicher Meinung nach hatte sie einfach gern einen Mann um sich. Flavia hatte nichts dagegen, denn sie war ganz froh, wenn Lenny ab und zu ein oder zwei Stunden aus dem Haus war.
»Du hättest ihn nicht hereinlassen sollen«, brummte Lenny. »Ich hätte ihm nicht aufgemacht.«
»Was immer er getan hat, er ist trotzdem ihr Vater.« Flavia setzte sich auf den Stuhl auf der Veranda und sah Lenny zu. Er machte sich gerade daran, ein Blumenbeet umzugraben. Dieser Mann hatte immer noch so viel Energie. Er buddelte ständig in der Erde. Sie hatte das Verhältnis der Engländer zu ihren Gärten nie ganz verstanden. Wenn man Obst und Gemüse anbaute, gut und schön, das landete ja alles im Kochtopf. Aber die Engländer machten sich schrecklich viel Arbeit damit, ihre Gärten für den Frühling und den Sommer zu bepflanzen. Trotzdem musste Flavia zugeben, dass der Garten prachtvoll aussah: Astern, Löwenmäulchen, blauer Männertreu …
»Er ist ihr nie ein Vater gewesen.« Lenny setzte den Spaten an und machte den ersten Stich in die feuchte braune Erde.
»Biologisch ist er es aber.« Flavia wusste, was er meinte. David hatte Tess verlassen, als sie Ginny erwartete, und Lenny hatte ihm nie verziehen, dass er seine Tochter im Stich gelassen hatte. Dank ihm war sie eine alleinerziehende Mutter, die für ein Baby sorgen musste.
»Biologisch, so ein Blödsinn«, gab Lenny zurück. Er setzte seinen Stiefel fest auf die Oberkante des Spatens, der durch den Boden glitt, als sei es Butter. Er hob die Erde mit dem Blatt an und schlug dann darauf. So würde er das ganze Blumenbeet bearbeiten, bevor er die schweren Schollen dann mit einer Forke zerkleinern würde. Er schien das nicht anstrengend zu finden.
Flavia dagegen machte schon das reine Zusehen müde. »Ich weiß«, sagte sie. »Ich weiß, was du von ihm hältst.« Sie seufzte. »Aber Ginny ist achtzehn, und das Mädchen weiß selbst, was sie will. Ist dir schon einmal die Idee gekommen, dass sie ihn brauchen könnte?«
»Wozu denn, zum Teufel?«, gab Lenny zurück.
Natürlich hatte er sein Bestes getan, um Tess’ Tochter Vater und
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