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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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Briefe beantwortet.« Er sah aufgewühlt aus und hielt ihre Hände so fest, dass es wehtat.
    Aber sie wollte es gar nicht anders. Es lenkte sie von diesem anderen Schmerz ab. Und dann begriff sie, was er gesagt hatte. Jetzt war sie es, die ihn ungläubig anstarrte.
    »Ich habe keine Briefe bekommen«, sagte sie nach kurzem Schweigen mit ausdrucksloser, monotoner Stimme. »Aber ich habe dir oft geschrieben.«
    Mit einem Mal wusste sie, was er sagen würde.
    »Ich habe sie nie bekommen.«
    Sie schwieg, dachte nach, versuchte zu verstehen.
    »Ich dachte, du wärest nicht interessiert«, sagte er. »Ich dachte, dass es nur der Reiz des Neuen war.«
    »Der Reiz des Neuen?« Sie betrachtete ihn. Sein blondes Haar war immer noch kurz. Es würde sich unter ihren Fingern weich anfühlen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie es berührt. Ihr Blick glitt weiter nach unten, vorbei an seiner Nase und den Wangenknochen zu seinem Mund, zu der vollen Unterlippe und seiner Oberlippe, die ein klein wenig schief war, und dann zu seinem Kinn, auf dem ein leichter Bartschatten lag. Jetzt, wo der Krieg vorbei und er vollkommen genesen war, wirkte sein Gesicht voller.
    »Der Reiz des Fremden«, erklärte er. »Ein englischer Fremder auf der Durchreise.« Er ließ den Kopf hängen. »Ich weiß ja, dass die Art, wie wir uns kennengelernt haben und alles …«
    Sie wusste, dass er sich nicht überwinden konnte, »verliebt haben« zu sagen.
    »Dass das nicht die sizilianische Art ist.«
    Flavia wusste, dass dies nicht seine eigenen Worte waren, ebenso wie sie wusste, dass dies ein kalter Dezemberabend war, dass sie sich in Exeter, England, befand und dass sie verloren war. Verloren.
    »Du bist nicht gekommen, um mich zu holen«, flüsterte sie.
    »Doch.«
    Das Wort traf sie wie ein Messerstich. »Wann?«
    Doch noch während sie die Frage aussprach, wusste sie auch das. Es hatte nur eine Gelegenheit gegeben. Jetzt wurde ihr alles klar.
    »Vor vier Jahren«, sagte er. »Ich habe mit deinem Vater gesprochen.«
    Langsam nickte sie. Vor vier Jahren, genau.
    »Anscheinend wusste er, dass ich unterwegs zu euch war.«
    Ja, natürlich, dachte Flavia, weil er die Briefe abgefangen hatte. Papa hatte Freunde, die wiederum Freunde an den richtigen Stellen hatten. Enzo zum Beispiel. Er hatte gewusst, was zu tun war. Anscheinend war auf Sizilien alles käuflich, und jeder hier war bestechlich.
    »Er hat mir erzählt, du wärest verheiratet, verdammt.« Heftig ballte er die Faust. »Dass du mit deinem frischgebackenen Ehemann irgendwo hingefahren wärest. Ich solle dich vergessen und mir eine Frau unter meinesgleichen suchen. ›Das ist nicht die sizilianische Art‹, sagte er. Du wärest seine Tochter, und du müsstest einen Sizilianer heiraten, jemanden, den deine Familie billigt.«
    Erneut nickte Flavia. Ihre Eltern hatten sie zu ihrer Tante Paola in ein Nachbardorf geschickt, um sie eine Zeit lang zu unterstützen, weil sich ihre Tante nicht wohlfühlte. Damals war ihr das nicht merkwürdig vorgekommen. Aber … Flavia schloss die Augen. Peter war nach Cetaria gekommen, und sie hatte ihn verpasst. Ihr Vater hatte ihr Leben zerstört.
    »Das werde ich ihm nie verzeihen«, erklärte sie Peter. »Gott ist mein Zeuge, ich werde ihm niemals vergeben.«
    Er ließ ihre Hände los. »Du bist nicht verheiratet?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Du hast auf mich gewartet?«
    »Ja.«
    Er steckte die Hände in die Taschen, als könne er sie so daran hindern, sich nach Flavia auszustrecken. Ein langes Schweigen trat ein.
    »Ich habe ein Kind«, sagte er schließlich. »Einen Sohn, Flavia. Sein Name ist Daniel.«
    Sie nickte, aber eigentlich wollte sie es nicht hören.
    »Es tut mir so schrecklich leid«, versicherte er. »Was kann ich tun? Ich …«
    Seine Augen waren voller Schmerz. Das erinnerte sie daran, wie sie ihn in dem abgestürzten Flugzeug gefunden hatte, inmitten der verbogenen Wrackteile.
    »Bitte mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Ich komme ausgezeichnet zurecht.« Sie klang wie eine Maschine, aber Peter klammerte sich an ihre Worte wie ein Ertrinkender an ein Rettungsfloß.
    »Bist du dir sicher?«, fragte er. »Du könntest mit nach Hause kommen, und Molly …«
    »Nein.« Flavia reckte sich, um ihn auf die Wange zu küssen. Seine Haut war kühl und feucht. Mit der Fingerspitze berührte sie seine Lippen. »Leb wohl, Peter«, sagte sie.
    Dann wandte sie sich um und ging davon, aufrecht und stark – jedenfalls die ersten Schritte, denn sie wusste, dass er

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