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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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ihr nachsehen würde, und sie wusste, wie weh es ihm tat, sie loslassen zu müssen. Denn er war gekommen, um sie zu holen … Er hatte die ganze weite Reise nach Sizilien gemacht. Und sie hatte nie etwas davon erfahren. Deswegen durfte er nicht wissen, wie schwer es ihr fiel zu gehen.
    Hinter der ersten Ecke brach sie zusammen. Heiß brannten die Tränen in ihren Augen. »Ich hasse dich, Papa«, flüsterte sie. »Ich hasse dich von ganzem Herzen.«
    Wie aus dem Nichts heraus trat ein Mann aus der Dunkelheit. Er hatte die Arme erhoben, und instinktiv wich Flavia zurück und riss selbst die Arme hoch, um sich zu verteidigen. Ganz in der Nähe ratterte ein Zug die Gleise entlang. In diesem Moment kam der Mond aus seinem Wolkenversteck hervor und stand voll und üppig über der Stadt.
    »Oh«, rief Flavia tränenerstickt aus. »Sie sind es.«
    Flavia starrte auf die Worte in ihrem Notizbuch. Wenn Tess das las – falls sie es jemals lesen würde –, dann würde sie verstehen, warum sie nie nach Sizilien zurückgekehrt war. Sie hatte weder ihrem Vater noch ihrer Mutter verziehen, was sie getan hatten. Die Bitterkeit, die sie deswegen empfand, hatte sie jahrelang innerlich verzehrt.
    Erst jetzt … Erst jetzt, nachdem sie selbst eine Tochter und eine Enkelin hatte, begann sie, langsam zu verstehen, warum ihr Vater geglaubt hatte, das Richtige zu tun, warum er sicher gewesen war, am besten über das zukünftige Glück seiner Tochter urteilen zu können. Erst jetzt, da sie diese Worte schrieb und diese Geschichte erzählte, von der sie geglaubt hatte, sie für immer in ihrem Herzen verschlossen zu haben … Erst jetzt, nachdem er gestorben war, spürte sie in ihrem Herzen einen ersten Anflug von Vergebung für Papa, für Mama, für Sizilien.
    Der junge Mann aus dem Café hatte sie fest am Arm genommen und sie zu dem Haus gebracht, in dem er mit seiner Mutter wohnte. »Haben Sie keine Angst«, hatte er gesagt. »Ich tue Ihnen nichts.«
    Flavia hatte genickt. Sie hatte keine Angst, dazu war ihr alles viel zu gleichgültig.
    »Sie können über Nacht hierbleiben«, hatte er mit seiner freundlichen, sanften Stimme gesagt.
    Und so war sie geblieben.
    Sie konnte sich kaum an diese Nacht erinnern. Sie wusste nur noch, dass sie die meiste Zeit geweint hatte. Am Morgen war sie dann mit dem Zug nach London zurückgefahren. In ihrer Tasche hatte sie einen Zettel mit der Adresse von Mutter und Sohn. Nachdem sie wieder in London war, hatte sie einen höflichen Brief geschrieben, in dem sie ihnen für ihre Freundlichkeit gedankt hatte, und damit war die Sache erledigt gewesen. Jedenfalls hatte sie das geglaubt.
    Sie arbeitete weiter für Bea Westerman. Allerdings war sie erst einige Zeit später in der Lage, ihr zu erzählen, was an diesem Abend, an dem sie Peter getroffen hatte, passiert war.
    Und dann, als sie fast ein Jahr bei ihr war, hatte Bea ihr einen Vorschlag gemacht, der ihr Leben verändern sollte und ihr eine neue Leidenschaft schenkte, etwas, für das es sich zu leben und zu arbeiten lohnte.
    Sie hatte Bea Westerman viel zu verdanken, überlegte Flavia.
    Sizilien ist vom Meer umgeben. Als sie in Cetaria lebte, waren der Geruch des Meeres und der Geschmack der Fische, die in ihm lebten, allgegenwärtig gewesen. Fischer wie Alberto Amato fuhren bei jedem Wetter hinaus und kehrten selten mit leeren Händen zurück. Anschließend zogen sie mit ihren Karren durchs Dorf, um ihren Fang zu verkaufen.
    Flavia erinnerte sich an den Fischmarkt in Trapani, an die wettergegerbten Fischer und an die zahllosen Fischsorten, die auf Steinplatten auslagen. Manche waren bereits filetiert, andere glitzerten und schimmerten, denn ihre Schuppen waren ein Regenbogen aus Farbe und Licht. Tunfisch, Sardinen, Anchovis, Skorpionfische, Aale, Makrelen und Tintenfisch. Muscheln, Sepien, Rotbarben, Schwertfisch. Jeder Fisch hat seine Zeit. Auf dem Markt fragt man nicht nach dem Preis, sondern danach, wie frisch er ist.
    In der Fischerei hatte sich so viel verändert. Es wurde mehr gefischt und weniger Fisch eingebracht, was nicht so widersprüchlich war, wie es klang. Früher hatten die Treibnetze zu viel Beifang aus dem Meer geholt. Sie dachte an das grausame, blutige Schauspiel der mattanza …
    Es gab eine Vielzahl von Fischrezepten, die sie aufschreiben wollte. Solche mit Anchovis zum Beispiel, die klein waren, aber sehr aromatisch. Pasta con le acciughe . Vorsichtig erhitzen , schrieb sie, denn sie werden leicht bitter. Mit Essig süßsauer

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