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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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freien Tagen kam sie für eine Stunde hierher, trank Espresso, nahm die Atmosphäre auf und fragte sich, was sie als Nächstes tun sollte.
    »Also«, sagte er, »was haben Sie als Nächstes vor?«
    Konnte er Gedanken lesen? »Ich weiß es nicht«, gestand sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, ewig weiter für Bea Westerman zu arbeiten. Mehr als alles andere wünschte sie sich, ihr eigenes Restaurant zu eröffnen. Sie hatte gesehen, was hier in England als Restaurant durchging, und sie wusste, dass sie es besser konnte, wenn sie nur Zutaten fand, deren Qualität ihren Ansprüchen genügte. Es gab auch italienische Restaurants in London, obwohl einige davon einen ziemlich schäbigen Eindruck machten. In der Gerrard Street war sie allerdings an einer italienischen Trattoria vorbeigekommen, die um einiges vielversprechender aussah. Inzwischen wusste sie, dass andere wie sie nach England gekommen waren, um sich dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und das nicht nur aus Jamaica, Indien und Pakistan, sondern auch aus Sizilien. Diese Einwanderer waren bereit, hart zu arbeiten. Sie arbeiteten oft in Kindergärten und Restaurants. Denn wer kannte sich mit Essen besser aus als die Sizilianer? Außerdem wurde es immer einfacher, Zutaten wie Balsamessig, gutes Olivenöl oder parmigiano zu beschaffen. Aber sie war sich noch nicht sicher, ob England bereit war für das, was sie zu bieten hatte.
    Sie erzählte ihm davon.
    »Dann machen Sie es doch«, sagte er. »Sorgen Sie dafür, dass die Leute bereit dafür werden, und geben Sie ihnen, wovon sie nicht einmal wissen, dass sie es wollen.«
    »Aber wie soll ich das anstellen?« Sie breitete die Hände aus. »Um ein Restaurant zu eröffnen, braucht man Geld. Das weiß ich. Und ich habe so wenig gespart.«
    »Nichts ist unmöglich.« Es schien ihm sehr ernst zu sein. »Ich hätte auch gern mein eigenes Café, und eines Tages bekomme ich es auch.« Er zögerte kurz. »Vielleicht sollten wir uns zusammentun«, sagte er dann.
    Flavia hatte gelacht. Aber irgendwie wusste sie sogar damals schon, dass er immer meinte, was er sagte.
    Nach diesem Treffen schrieb er ihr regelmäßig, und sie beantwortete seine Briefe. Zu Beginn fielen ihre Briefe sehr höflich aus. Flavia wusste, dass ihre außerdem gestelzt und ungeschickt klangen. Ihr Englisch wurde zwar besser, aber manchmal hatte sie das Gefühl, einen Schritt nach vorn und zwei zurück zu machen, wie die Engländer sagen würden.
    Doch nach und nach entspannte sie sich, und er wurde mutiger. So entwickelte sich zwischen ihnen ein reger Briefwechsel. In diese Briefe legten sie ihr ganzes Leben, ihre Traurigkeit, ihre Hoffnungen und Träume. Er war drei Jahre jünger als Flavia. Manchmal klang er wie ein Mann, dann wieder wie ein Junge. Vielleicht, dachte sie, war sie vor der Zeit alt geworden.
    »Wirst du jemals nach Sizilien zurückkehren?«, fragte er sie.
    »Nein.« Flavia brauchte nicht zu überlegen. England war vielleicht kalt und feucht, aber hier hatte sie ein neues Leben gefunden. England erholte sich noch von den schweren Kriegsjahren, aber der Wiederaufbau war in vollem Gange. Doch es war mehr als nur das. Ein Gefühl von Hoffnung lag in der Luft, und das brauchte Flavia. Sie schrieb sich immer noch mit Santina, aber sie hatte keinen der Briefe ihrer Eltern beantwortet. Es gab kein Zurück.
    Von Zeit zu Zeit kam er mit dem Zug nach London, um sich mit ihr zu treffen, und bald freute sie sich auf seine Besuche. Er drängte sich niemals auf, was sie auch nicht ausgehalten hätte, aber er war nett, und sie fühlte sich in seiner Gesellschaft wohl. Die beiden wurden Freunde.
    Im September desselben Jahres lud Bea Westerman Flavia in den Dome of Discovery ein, einem Teil der Nationalausstellung Festival of Britain . Während des Sommers hatte Flavia viel Zeit am Themseufer verbracht. Der Tower Beach war so etwas wie ihre Sommerfrische. An warmen Tagen war der Sandstrand dicht von Menschen bevölkert, die in gestreiften Liegestühlen saßen, und Kindern, die im Fluss planschten. Mit Cetaria war das natürlich nicht zu vergleichen, aber Flavia saß gern dort und beobachtete diese englischen Familien, obwohl ein Teil von ihr dabei auch immer an diese andere Familie in Exeter dachte.
    Wie Bea ihr erzählt hatte, hatten auf dem Areal am Südufer früher lauter schäbige Lagerhäuser und halb verfallene Gebäude gestanden, aber das alles hatte man abgerissen, um Platz für die Nationalausstellung Festival of Britain im Jahr 1951 und

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