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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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und spürte, wie die Strömung sie sanft auf das Ufer zutrug. Zärtlich. Dann überkam sie plötzlich ein Gefühl von Dunkelheit. Sie schlug die Augen auf.
    Am Ufer stand mit verschränkten Armen und finsterer Miene der Mosaikmann. Wenn Giovanni ein Tiger war, dachte Tess, dann war dieser Mann ein Panther. Unbezähmbar. Er war nur mit schwarzen Shorts bekleidet. Herrgott, welches Verbrechen hatte sie jetzt schon wieder begangen?
    Das Schlimmste, überlegte sie, als sie wieder Boden unter den Füßen hatte und sich im Wasser aufrichtete, war das Gefühl, beobachtet zu werden und dabei ganz genau zu wissen, dass man ausgesprochen unelegant wirkte, dass man nasses Haar und verschmierte Wimperntusche hatte und wahrscheinlich auf dem Weg aus dem Wasser über einen Stein stolpern würde. Aber was sollte sie tun? Offensichtlich wartete er auf sie.
    »Ciao« , sagte er, als sie, wie vorauszusehen gewesen war, auf den rutschigen Steinen strauchelte.
    Er streckte ihr eine schlanke, gebräunte Hand entgegen, die sie verstohlen betrachtete. Die Hand eines Künstlers. Lange, schmale Finger, kurz geschnittene Nägel, feinknochiges Handgelenk … Aber sie griff trotzdem danach, und er führte sie über die Kiesel zu der Steinmauer neben dem Steg, wo sie ihr Handtuch zurückgelassen hatte. Er war nur zwei, drei Zentimeter größer als sie, schätzte Tess. Er reichte ihr das Handtuch und streifte dabei mit der Hand ihre nackte Schulter.
    Hatte er sich eine neue Persönlichkeit transplantieren lassen? » Grazie «, sagte sie.
    »Ich wollte mit Ihnen reden«, gab er zurück.
    »Ach?« Wie kam das denn plötzlich? Tess trocknete sich das Haar und setzte eine milde, interessierte Miene auf. Wollte er ebenfalls die Villa für sie verkaufen oder vielleicht ein paar Handwerker engagieren? Oder wollte er ihr von einem lange zurückliegenden Diebstahl oder Verrat erzählen?
    »Hier gibt es Quallen«, erklärte er mit strengem Blick. »Und zwar viele.«
    »Quallen?«
    »Hier in der Bucht.« Er zeigte aufs Meer.
    »Ach so.«
    Er machte eine weitere Handbewegung und markierte eine Qualle, die ihre langen Tentakel um seinen Arm schlang. Dramatisch fuhr er zusammen, um zu zeigen, wie die Berührung brannte.
    Sie lachte. »Autsch.«
    »Autsch, allerdings!« Er lächelte ihr zu. »Ich arbeite jeden Tag hier. Ich sehe es.«
    Sie nickte. Er hatte ein sehr anziehendes Lächeln. Okay, vielleicht war er doch nicht der Feind. Jedenfalls nicht ihr Feind. »Gibt es sonst noch Raubtiere, von denen ich wissen sollte?«, fragte sie.
    Er hob eine Augenbraue. Trotz der Narbe auf seinem Gesicht – oder vielleicht gerade deswegen – war er, wie ihr plötzlich auffiel, auf eine düstere, grüblerische Art sehr attraktiv. Automatisch dachte sie an Robin. Verdammt.
    »Die übrigen werden Sie schon ganz alleine entdecken«, meinte er.
    Wohl wahr. »Wahrscheinlich.« Sie lächelte.
    »Sie sind allein hier?«, erkundigte er sich.
    »Hmmm.« Seine Haut war – jedenfalls an all den Stellen, die sie sehen konnte – von diesem einheitlichen Nussbraun, das man nur bekam, wenn man das ganze Jahr in einem Klima wie diesem lebte.
    »Und wie lange bleiben Sie?«, wollte er wissen.
    Tess schlang sich das Handtuch fester um die Schultern. Was sollte diese plötzliche Freundlichkeit? Oder war der finstere Gesichtsausdruck gar nicht seine Standardmiene, und er war einfach nur kein Morgenmensch? Sie hätte ihn gerne nett gefunden, hätte gern reagiert. Aber … Sie hatte Giovannis Warnung im Kopf. Sie war es leid, sich manipulieren zu lassen. Giovanni hatte sie für heute Abend schon wieder zum Essen eingeladen, aber jetzt reichte es. Nach diesem Mittagessen waren Käse und Salat mehr als genug. Und sie musste einmal allein sein; da konnte sie keinen Sizilianer gebrauchen, egal, wie hilfsbereit oder attraktiv er war. Mein Gott, man hätte meinen können, sie hätte ein Millionenvermögen geerbt und nicht nur eine Villa, so wie all diese Männer hier herumscharwenzelten.
    »Eine Woche«, erklärte sie. »Für den Anfang.«
    Er hob erneut die Augenbraue. »Für den Anfang?«
    Tess zuckte mit den Schultern. Wie sollte sie einem attraktiven Fremden sagen, was sie selbst nicht wusste? Ihr kam ein Gedanke. »Wofür wurden diese Gebäude eigentlich früher genutzt?« Sie deutete in die Richtung der verfallenen Häuser.
    Er folgte ihrem Blick. »Hier wurde Tunfisch verarbeitet.«
    »Tunfisch?«
    »Von den Fischern.« Seine gute Laune war verflogen, und seine Miene verdüsterte sich.

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