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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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lauschte, sah zu und war beinahe hypnotisiert von den geschickten Handbewegungen, mit denen er die Steine sortierte, sie wusch und schnitt und polierte und setzte. Er legte die Stücke aus und setzte die Muster seines Entwurfs zusammen, wobei er in einer Ecke begann und sich nach außen vorarbeitete. Er ließ Lücken – zum Verfugen, vermutete sie –, überlegte es sich ständig anders und platzierte mit schnellen, sicheren Fingern Stein für Stein neu.
    »Und so lernt die Prinzessin, dass allzu große Bescheidenheit sich gegen sie wenden wird«, sagte er. »Und dass sie sich davor schützen muss, ausgenutzt zu werden.«
    »Und der grüne Vogel lernt, dass wahre Schönheit von innen kommt«, fügte Tess hinzu.
    »Genau.«
    »Glauben Sie das auch?«
    »Und Sie?«
    Schweigen. Ihr wurde klar, dass das Mosaik, an dem er arbeitete, die Form eines Schlangenschwanzes annahm. Bernsteinfarben und grün. Eine Schlange … Gut und Böse, dachte sie. Ein weiterer sizilianischer Kontrast. Die Schlange symbolisierte die Versuchung.
    Er schaute zu ihr auf, und mit einem Mal fühlte sie sich unsicher. Es war, als sei sie hypnotisiert gewesen, und nun war der Bann wieder gebrochen. Sie schmeckte den Kaffee immer noch wie Holzrauch auf der Zunge. Aber jetzt musste sie Giovanni suchen gehen und ein Treffen mit Santina vereinbaren. Sie stand auf.
    »Sie müssen gehen. Etwas erledigen. Leute treffen.«
    »Ja.« Sie hatte ihn nach seiner Familie fragen wollen, nach den drei sizilianischen Familien eigentlich, aber jetzt war der richtige Moment dafür auch schon wieder verpasst.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit erneut dem Mosaik zu. »Und Ihr Arm? Er ist jetzt besser, si? «
    So viel besser, dass sie ihn ganz vergessen hatte. »Ja. Danke für die Salbe«, sagte sie. Sie hielt inne, sagte aber nicht, was ihr auf der Zunge gelegen hatte. Es schien stattdessen unausgesprochen in der Luft zu hängen.
    Er nickte. »Obwohl es nicht die Salbe war, die es besser gemacht hat«, erklärte er mit einem kurzen Grinsen, das fast genauso schnell verschwand, wie es aufgeleuchtet hatte. »Es war der Kaffee.«
    Sie lachte. »Ich sollte besser gehen.«
    »Zurück zur Villa der Meerjungfrau.« Er lächelte.
    »Zur …?«
    »Villa Sirena.«
    Mit einem Mal begriff sie: Sirena war das italienische Wort für Meerjungfrau. Und das Bild über der Haustür – die traurige, mit Sternen übersäte Frau mit dem langen Lockenhaar, deren Körper sich teilte und sie umfloss … Sie war die Meerjungfrau.
    Er lächelte. »Auch über sie gibt es eine Geschichte«, sagte er. »Vielleicht werde ich sie Ihnen eines Tages erzählen.«

17. Kapitel
    U m zwölf Uhr mittags klopfte es an der Tür. Ginny hatte noch keine Chance gehabt, das Haus aufzuräumen. Es klopfte noch einmal.
    Wenigstens war Ben schon weg. Ginny schloss die Türen, die zu den Zimmern im Erdgeschoss führten, und machte im Morgenmantel auf. Es war Lisa.
    »Ich wollte nur mal nachsehen, ob du okay bist«, erklärte sie.
    »Hi«, antwortete Ginny. »Hör mal, es tut mir leid, wenn wir gestern Abend Krach gemacht haben. Wir haben euch doch nicht gestört oder so, oder?«
    »Nein.« Lisa verschränkte die Arme. »Aber für einen Mädchenabend war das schon ziemlich wild. Wer braucht schon Männer, kann ich da nur sagen.«
    »Na ja.« Ginny lehnte sich an den Türrahmen. »Irgendwie ist eine Party daraus geworden.« Sie stöhnte. »Du sagst Mum doch nichts, oder?«
    »Sollte ich das denn?« Lisa schaute ernst drein. Aber wenigstens regte sie sich nicht auf.
    »Nein«, gab sie zurück. »Ich bringe das Haus wieder in Ordnung. Mum braucht nie etwas davon zu erfahren.« Hoffentlich.
    »Aber wenn sie mich fragt …«, meinte Lisa.
    »Dann musst du es ihr sagen?«
    »Hmmm.« Lisa blickte mitfühlend drein. »Aber was weiß ich schon? Du hattest ein paar Freunde eingeladen … Es ging ein bisschen lebhaft zu …«
    »Genau.« Ginny war erleichtert. Lebhaft, besser konnte man es nicht sagen …
    »Das wird sie schon verstehen.«
    Von wegen.
    Lisa machte Anstalten zu gehen, doch dann zögerte sie. »Irgendwelche Schäden?«, erkundigte sie sich.
    »Schäden?« Ginny bemühte sich, unschuldig zu klingen. Die Kugel bewegte sich – nur einen Millimeter, gerade genug, um zu zeigen, dass sie da war.
    »An den Möbeln.« Lisa zog die Augen zusammen. »An den Teppichen.«
    Konnte sie Gedanken lesen? Sie musste diesen unschuldigen Ton schon oft gehört haben. »Kleine«, gestand Ginny. »Es wurde, ähem, ein bisschen was

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