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Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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gekleidet und überwiegend tief gebeugt waren, wahrscheinlich von der lebenslangen Plackerei. So sähe ihre eigene Mutter jetzt auch aus, wenn sie nicht nach England gegangen wäre.
    »Ich hole Sie hier heute Abend um sieben ab«, erklärte Giovanni energisch wie immer.
    Als Tess ein paar Stunden später am verabredeten Treffpunkt eintraf, trug sie ein ärmelloses weißes Leinenkleid und Riemchensandalen.
    Giovanni schenkte ihr zur Begrüßung einen langen, abschätzenden Blick. »Bella« , sagte er dann. »Sie sehen heute Abend sehr schön aus, Tess.«
    »Vielen Dank.« Sie war sich des Umstands bewusst, dass ihre Haut bereits einen Goldton angenommen hatte und ihr blondes Haar von der Sonne gebleicht war. Und sie konnte einfach nicht aufhören zu lächeln. Warum sollte sie auch? Sie hielt sich an einem unglaublichen Ort auf. Sie hatte soeben ein wunderbares Gespräch mit ihrer Tochter geführt. Ginny hatte den Eindruck gemacht, als sei sie ausnahmsweise wirklich interessiert daran, was Tess tat, wie die Villa aussah und was Tess herausgefunden hatte. Vielleicht war das ja ein Beispiel dafür, dass die Liebe mit der Entfernung wuchs, oder ihre Mutter hatte recht, und Ginny hatte sich zum Positiven verändert. Nein, Tess fühlte sich gut, obwohl Robin ihr fehlte.
    Er neigte den Kopf.
    Tess war neugierig. »Was machen Sie eigentlich, Giovanni?«, fragte sie ihn. »Beruflich, meine ich.« Für einen Mann in den Dreißigern, der offensichtlich Geld hatte, schien er eine Menge Freizeit zu haben.
    Er zuckte mit den Schultern. »Mal dieses, mal jenes«, gab er zurück. »Es ist auch heute noch schwer, sich hier in Cetaria seinen Lebensunterhalt zu verdienen«, fügte er hinzu, um die Sache noch rätselhafter zu machen.
    Bestimmt war er eine Art Unternehmer, dachte Tess, während Giovanni sich mit großen Schritten in Bewegung setzte und sie sich wieder einmal anstrengen musste, um mit ihm mitzuhalten. Das konnte sie sich vorstellen. Vermutlich war er nicht direkt ein Gauner, aber er hatte auch keine vollkommen weiße Weste. Er war wahrscheinlich so etwas wie ein Glücksritter – und rücksichtslos, wenn nötig. Sie konnte sich vorstellen, dass es auf Sizilien viele Männer wie ihn gab.
    Auf den Straße wimmelte es von Autos und Menschen, und sie sprach Giovanni darauf an.
    Er ging kaum langsamer. »Es ist die Stunde der passeggiata «, erklärte er. »Der Abendspaziergang ist hier eine Tradition. Die Menschen gehen hinaus und begrüßen einander.« Und tatsächlich fiel ihr auf, dass er unterwegs immer wieder die Hand hob und mehrere Passanten und kleine Gruppen grüßte. Ein wenig wie die Queen, dachte Tess, sprach es aber nicht aus. Sizilianische Männer waren große Machos. Die Autos, so fiel ihr auf, fuhren nicht etwa von A nach B, sondern beschrieben einen großen Kreis, der die Hauptstraße und das Dorf umspannte, und dann begann das Ganze wieder von vorn. Aha. Der Zweck war also nicht, ein Ziel zu erreichen, sondern durch den Ort zu fahren, um zu sehen und gesehen zu werden. Auch gut. So war es wohl Brauch auf Sizilien.
    Sie kamen bei Santinas Haus an. Die alte Frau begrüßte Tess genauso überschwänglich wie beim ersten Mal und küsste sie auf beide Wangen, sodass Tess einmal mehr die Stoppeln auf der dunklen, pergamentartigen Haut der Alten spürte. Santina zog sie in das dunkle Haus, über den Flur und in die cucina , die Küche, in der eindeutig der Puls dieses Hauses schlug.
    Der Tisch war mit Gebäck überladen. »Cannoli« , erklärte Giovanni. »Das klassische sizilianische Gebäck. Roberta aus dem Dorf hat es gebacken.« Daneben standen eine Flasche Weißwein und drei zarte Gläser mit dünnem Stiel.
    »Ihre besten Gläser«, sagte Giovanni. »Sie benutzt sie fast nie. Sie sind ein ganz besonderer Besuch.«
    »Ich fühle mich geehrt.« Und das stimmte.
    Santina sprudelte auf Italienisch los und zeigte auf Tess’ Augen.
    »Was sagt sie?«, fragte Tess Giovanni.
    »Ihre Augen sind so blau«, antwortete er. »Das ist in Sizilien ungewöhnlich. Sie sagt, ihre Mutter muss einen sehr gut aussehenden, blauäugigen Mann geheiratet haben.«
    Tess dachte an ihren Vater und lachte. »Das hat sie.«
    Wieder sprach Santina.
    »Sie hat gefragt, ob Sie verheiratet sind, und ich habe ihr gesagt, dass Sie es nicht sind. Jetzt will sie wissen, warum nicht.«
    »Vielleicht habe ich den Richtigen noch nicht getroffen«, gab Tess zurück. Santina reichte ihr einen Teller, auf dem ein kleines Stück Gebäck lag. Die äußere

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