Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
Gemüsegericht aus Auberginen, Sellerie, Zwiebeln und Oliven, das Tess’ Mutter oft kochte, obwohl ihre caponata sich sehr von dieser unterschied.
»Inwiefern nicht gut?«, erkundigte sie sich. »Ist sie nicht gut in Schuss, oder hat sie keine gute Geschichte?«
»Beides«, sagte er. »Es stimmt, dass einiges zu tun ist, bevor das Haus wieder in seiner alten Herrlichkeit erstrahlt. Aber …« Er rieb seine Nase. »Dort sind auch schlimme Dinge geschehen. Es hat eine dunkle Geschichte.«
Hmmm. »Ich nehme an, Sie möchten mir nichts über diese schlimmen Dinge erzählen?«
Giovanni druckste herum und wedelte mit der Hand, um eine Kellnerin zu vertreiben. »Das ist nichts für empfindsame Ohren«, erklärte er.
Tess versicherte ihm, dass ihre Ohren alles andere als empfindsam seien. Wahrscheinlich hatte das alles mit den berühmten Schulden, mit dem Diebstahl und dem Verrat zu tun, über die er sich ständig ausließ. Und mit dem geheimnisvollen »es«. Ganz zu schweigen vom Krieg natürlich – und dem Umstand, dass Edward Westerman schwul gewesen war.
»Sizilien besitzt ein dunkles Erbe«, sagte er und wischte den Rest seiner caponata mit einem Brocken süßen, gelblichen sizilianischen Brots auf.
Ja, das wurde ihr langsam auch klar.
»Daher liegt es in Ihrem Interesse, das Haus zu verkaufen.«
Tess war schon immer eine Rebellin gewesen. Jetzt wurde ihr bewusst, dass sie diesen Charakterzug von ihrer Mutter geerbt haben musste. Sie nippte an dem Wein, den Giovanni bestellt hatte, einem Nero d’Avolo. Er besaß ein volles Bukett; sie schmeckte Brombeernoten und, ja, einen ganz leisen Hauch von Pfeffer. Wenn jemand versuchte, ihr vorzuschreiben, was sie tun sollte, führte das grundsätzlich dazu, dass sie genau das Gegenteil tun wollte. »Ich werde die Villa behalten«, verkündete sie. »Einstweilen jedenfalls.«
Giovanni stieß einen tief empfundenen Seufzer aus. »Sie sind dickköpfig, no? «
Tess setzte ihr Glas ab. »Schon möglich. Aber ich mag das Anwesen. Ich habe gehört, was Sie zu sagen hatten. Und ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie versuchen, mir zu helfen.« Unter dem Tisch überkreuzte sie die Finger. »Aber ich spüre keine schlechte Stimmung in der Villa Sirena. Deshalb möchte ich sie auch nicht verkaufen – jedenfalls noch nicht.«
Giovanni schüttelte den Kopf. Er wirkte wie ein Vorbote des drohenden Weltuntergangs. »Und Ihre Mutter?«, fragte er düster. »Was sagt sie dazu?«
Tess hatte ihr noch nichts davon erzählt. Aber sie konnte sich denken, wie sie reagieren würde. »Es wird ihr nicht gefallen«, gestand sie. »Sie wird wollen, dass ich es zum Verkauf anbiete und nach England zurückkehre, und zwar pronto .«
Giovanni winkte mit einem Finger lässig in Richtung cucina . Sofort tauchte eines der Mädchen auf und räumte die Teller ab.
» Si, si, bene . Ja, es war gut«, erklärte Giovanni der nervösen Kellnerin. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit erneut Tess zu und nickte weise. »Ihre Mutter ist eine kluge Frau«, sagte er. »Was glauben Sie, weiß sie vielleicht mehr, als sie sagt?«
Wahrscheinlich. Schließlich sagte sie nicht allzu viel. Tess beugte sich vor. »Also, worum geht es hier?«, fragte sie.
»Was meinen Sie?« Er runzelte die Stirn.
»Was ist dieses ›es‹, von dem Sie glauben, das ich es im Auftrag meiner Mutter suchen soll? Etwas Besonderes? Etwas Geheimnisvolles? Etwas Wertvolles?«
Giovanni blickte rasch nach rechts und links und fixierte dann einen Punkt irgendwo über ihrer linken Schulter. »Non capisco« , murmelte er. »Ich verstehe Sie nicht, Tess. Es ist unwichtig.«
Sie war nicht überzeugt. Als er zum letzten Mal davon gesprochen hatte, schien es ihm jedenfalls wichtig gewesen zu sein.
Ihre pasta wurde schwungvoll aufgetragen; spaghetti con le fave – mit wildem Fenchel, dicken Bohnen und Olivenöl. Giovanni hatte sich bei ihrer Ankunft mit der signora beraten und Tess dann darüber informiert, dass dies das beste Pastagericht des Tages sei und sie es daher beide bestellen müssten.
»Und wenn Sie nicht verkaufen«, fuhr er fort, nachdem die Kellnerin verschwunden war, »was wollen Sie dann damit anfangen? Sie hatten von Feriengästen gesprochen, glaube ich.« Er schaffte es, so viel Abscheu in das Wort hineinzulegen, dass Tess lächeln musste.
Sie stach in eine dicke Bohne. Es war offensichtlich gerade Bohnenzeit. Sie glaubte sich zu erinnern, dass sie auf dem Weg hierher auf den Feldern neben der Straße Bohnen wachsen gesehen
Weitere Kostenlose Bücher