Ein verzauberter Sommer: Roman (German Edition)
hatte. »Ich bin mir noch nicht sicher«, sagte sie. Wie in aller Welt sollte sie das Geld für die Renovierung auftreiben?
»Und?« Er beäugte sie fragend. »Was haben Sie als Nächstes vor, Tess?«
Das hätte er wohl gern gewusst … Sie beschloss, ihn schmoren zu lassen. »Im Moment habe ich noch gar nichts vor«, erklärte sie. Sie dachte an die pazienza , von der sowohl Santina als auch Tonino gesprochen hatten. Ihr war noch kein Vorwand für einen weiteren Besuch bei Santina eingefallen oder eine Möglichkeit herauszufinden, wann Giovanni vielleicht nicht zu Hause war. Und sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, Tonino nach der berühmten Familienfehde zu fragen. Aber sie hatte auch noch ein paar Tage Zeit. Sie musste einfach Geduld haben.
21. Kapitel
D ie nächsten zwei Tage waren zu viel für Ginny. Kein Wort von Ben, dafür umso mehr Text von Becca, die ohne Ende verzückt über Harry dies und Harry das redete und erklärte, dass Harry der Junge war, auf den sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Ihr ganzes Leben lang. Mit siebzehn. Mein Gott! Manchmal machte Becca sie wahnsinnig.
Beängstigend schnell tauchten Bilder auf Facebook auf. Harry und Becca in einer Bar, wie sie auf ihren ersten »Jahrestag« anstießen, genau einen Tag, nachdem sie zusammengekommen waren, Harry und Becca am Strand, wie sie sich küssten. Igitt. Warum sollte das jemand sehen wollen? Ginny hatte auf der Party schon mehr als genug davon mitbekommen. Status: Becca ist in einer Beziehung. Nein … wer wäre darauf gekommen?
Schließlich, als Ginny gerade auf dem Tiefpunkt der Verzweiflung angekommen war, weil Ben sie weder auf Facebook angeschrieben noch eine SMS geschickt hatte, rief er an.
»Hi, Babe«, sagte er. »Lust, dich auf ein paar Drinks mit mir zu treffen?«
Ob sie Lust hatte? Oh ja, ja, ja.
Hektisch vor Nervosität und Vorfreude machte sie sich fertig, rief Becca zweimal an, um sich zu vergewissern, dass ihr Outfit okay war, änderte dann aber ihre Meinung doch wieder und entschied sich für die Jeans, die sie schon vorher angehabt hatte.
Sie kam eine Dreiviertelstunde zu spät und machte sich fast vor Angst in die Hosen, weil sie allein einen Pub betreten musste. Dank ihres gefälschten Schülerausweises hatte sie die diversen Alterskontrollen zwar schon vor ihrem achtzehnten Geburtstag im letzten Monat lässig passiert (alle machten das), aber sie war einfach nicht an Pubs gewöhnt. Und …
Er war mit fünf seiner Kumpel zusammen. Ein Pubquiz war im Gang. Es war grauenvoll.
Ginny machte dicht. Die Kugel entwickelte so viele Knoten und Tentakel, dass sie kaum ein Wort herausbrachte. Sie kam sich wie eine Vollidiotin vor, und das umso mehr, als die einzige Antwort, die sie wusste, der Name einer Figur aus East Enders war. Was war sie doch für eine Loserin.
Doch als der Abend vorüber war, schlang Ben den Arm fest um ihre Schulter, was ihm schwerfiel, weil sie so groß war. »Kommst du noch mit zu mir?«, fragte er. Als wären sie zusammen oder so.
Ginny zuckte mit den Schultern und versuchte auszusehen, als hätte sie mit so etwas gerechnet. »Warum nicht«, sagte sie mit vollkommen gleichgültig klingender Stimme. Aber es bedeutete etwas. Es musste etwas bedeuten, oder? Sie bekam jetzt besser Luft.
Auf dem Weg zu ihm unterhielten sie sich über ihre Familien.
»Wie ist dein Dad eigentlich so?«, fragte Ben. Ein Schwung dunkles, geglättetes Haar hing ihm über die rechte Augenbraue. Es sah sexy und gefährlich aus.
»Mein Dad? Keine Ahnung«, gab sie zurück. Das war seit ein paar Jahren ihre Standardantwort, wenn sie jemand nach ihrem Vater fragte. Früher als Kind hatte sie nicht allzu viel darüber nachgedacht. Sie hatte Mum, sie hatte Nonna und sie hatte Paps. Das war ihr genug.
Dann wurde ihr klar, dass es bei ihren Freunden anders war. Sie alle hatten Väter. Väter, von denen sie in der Schule erzählten. Väter, die mit ihnen am Wochenende Ausflüge unternahmen. Väter, die schöne Autos fuhren und zu Elternabenden und Schulaufführungen kamen. Ihr war auch klar, dass Pops sich schrecklich große Mühe gab, diese Lücke zu füllen. Außerdem gab er wenigstens zu, dass diese Lücke existierte, wenn ihre Mutter es schon nicht tat. Aber was er auch machte, wie sehr er sich auch bemühte, es war nicht dasselbe.
»Dann hast du ihn nie gekannt?«, fragte Ben.
»Hab ihn noch nie gesehen«, pflichtete Ginny ihm bei.
Er zuckte die Achseln und drückte sie kurz an sich.
Ginny hatte so viele
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