Eine hinreißende Schwindlerin
schlagen wird, wenn ich nicht tue, was er verlangt?“
„Nein“, ertönte eine tiefe, raue Stimme. „Denn wenn er das tut, sagst du mir sofort Bescheid und ich bringe ihn um.“
Miss Edmonton stieß einen kleinen Schrei aus und Jenny öffnete die Augen. Gareth stand im Gegenlicht in der offenen Tür, und als er auf sie zukam, sah sie, dass er das Gesicht verzogen hatte. Am liebsten hätte sie die Augen wieder geschlossen, um diesen grimmigen Gesichtsausdruck ausblenden zu können. Hätte sie etwas Schlimmeres tun können, als seiner jungfräulichen Schwester vom Liebesakt zu erzählen?
Er wich ihrem Blick aus und ihr Herz klopfte zum Zerspringen.
„Komm, Laura“, sagte Gareth, „genug von diesen Fragen. Ich bringe dich jetzt lieber nach Hause.“
Wenn er sie schon hassen würde, dann wollte Jenny ihm wenigstens einen echten Grund dafür bieten. „Nein, Laura“, widersprach sie. Sie merkte selbst, das ihre Stimme tiefer klang als sonst, etwas geheimnisvoller vielleicht. Es war fast, als wäre sie wieder Madame Esmeralda, aber das war sie nicht. Dieses Mal sprach einzig und allein Jenny Keeble. „Hören Sie mir gut zu.“ Sie senkte die Stimme und Laura beugte sich näher zu ihr. „Und ignorieren Sie ihn einen Moment lang. Begehen Sie niemals den Fehler zu glauben, Sie müssten sich als Frau den Regeln der Männer unterwerfen; dass Sie es entweder hinnehmen oder einen anderen Mann zu Hilfe holen müssen, wenn Ihr Ehemann Sie schlägt. Denn wenn es so weit ist und er die Hand gegen Sie erhebt, wird kein anderer Mann da sein, um Sie zu retten. Nicht in dem Augenblick, vielleicht tagelang nicht. Männer gehen einfach irgendwann weg, das liegt nun einmal in ihrer Natur. Sollte dieser Moment jemals kommen, werden Sie sich selbst retten.“
„Im Rahmen der Gesetze natürlich …“
„Zur Hölle mit den Gesetzen. Wenn Sie genau wissen, was Sie wollen, werden Sie einen Weg finden und es auch bekommen. Männer hin oder her. Und kein Ehemann oder Bruder oder …“, sie wagte einen Blick zu Gareth, der sie mit versteinerter Miene beobachtete, „… Geliebter wird Sie je daran hindern. Und das ist die Wahrheit.“
„Sie sagten doch, Sie könnten nicht in die Zukunft sehen.“
„Das kann ich auch nicht. Aber ich sehe die Gegenwart.“ Jenny legte der anderen Frau die Hand auf die Schulter. „Was Sie heute getan haben – zu mir zu kommen und mir diese Fragen zu stellen –, war sehr, sehr mutig. Mut ist stärker als körperliche Kraft. Denken Sie immer daran. Ich habe heute eine sehr starke Frau gesehen.“
Laura errötete. „Ich weiß nicht …“
„Vielleicht könnte Ihr Bruder Sie retten. Aber wenn Sie jemals in Not sein sollten, werden Sie sich selbst retten.“
„Genug“, stieß Gareth zähneknirschend hervor und würdigte Jenny keines Blickes. Nicht einmal seine Schwester sah er an. „Mehr als genug. Komm, Laura.“
„Blakely“, wandte Miss Edmonton ein, „ich wollte nur …“
Er atmete tief durch. „Das kannst du mir alles auf dem Heimweg erklären.“ Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ er das Zimmer.
17. KAPITEL
Das Einzige, was Gareth seiner Schwester bieten konnte, war eine Mietdroschke. Die Sitze waren klebrig – wovon, das wollte er sich lieber nicht ausmalen. In der Droschke roch es nach Schimmel und Essig. Gareth breitete sein Taschentuch auf dem Sitz aus, ein hauchdünner Schutzschild zwischen Laura und dem Rest der Welt.
Das dünne weiße Tuch wirkte entsetzlich fehl am Platze. Laura war so unbeschwert und unverdorben. Sie hatte Angst vor der Ehe und diese Angst legte sich wie Blei über sein eigenes Herz.
„Blakely“, fragte sie, „Bist du böse auf mich?“
Böse auf sie? Er wusste nicht, was er ihr antworten sollte. Er war höchstens böse auf sich selbst. Er hatte diese Ehe arrangiert und Erkundigungen über ihren Verlobten eingezogen. Er hatte ihr knapp versichert, der Mann wäre in Ordnung, doch tief in seinem Herzen hatte er Zweifel gehegt.
Allerdings hätte er bei jedem Mann Zweifel gehabt, daher hatte er sie gar nicht erst geäußert. Kein Mann war ihm gut genug für Laura.
Er betrachtete sie. „Ich erinnere mich noch, als du auf die Welt kamst. Ich war damals natürlich in Harrow und lebte in der Zwischenzeit bereits bei Großvater. Ich sah dich das erste Mal, als du schon sechs Monate alt warst. Du hast an meinen Haaren gezogen und mich angelächelt.“
„Ich bin keine sechs Monate mehr.“
„Nein, das stimmt“, bestätigte Gareth, „und du
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