Eine Klasse für sich
ist das dasselbe? Damals hatte ich das Gefühl, ich wäre aus dem Nichts gekommen, was natürlich nicht stimmte, weil jeder irgendwoher kommt. Außerdem hatte ich das Gefühl, ich wüsste nichts, was der Wahrheit zwar näherkam, aber auch nicht ganz stimmte. Deshalb glaubte ich den Mann markieren zu müssen, der alles weiß, einen heißen Draht zum Universum besitzt, den Zeitgeist verkörpert. Ich bildete mir ein, ich sähe aus wie ein Titan, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, und nicht wie ein trauriger kleiner Vorstadtjunge mit gefärbtem Haar.« Er lächelte bei der Erinnerung und schüttelte den Kopf. »Allein schon diese Jacken!« Ich stimmte in sein Lachen ein. »Und da hast du auch den Grund, warum ich euch alle hasste.« Ein unerwarteter Schwenk.
»Wie meinst du das?«
»Ich hatte das Gefühl, ihr würdet viel mehr über den Dingen stehen als ich.«
»Keineswegs.«
»Nein, das sehe ich inzwischen auch so. Aber eure Verachtung für mich und alles, was mit mir zu tun hatte, hat mir diesen Floh ins Ohr gesetzt.«
Das machte mich traurig. Warum verbringen wir so viel Zeit unseres Lebens damit, Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, unglücklich zu machen? »Ich hoffe, dass wir so schlimm auch wieder nicht waren. Das Wort Verachtung macht mir zu schaffen. «
Er nickte. »Natürlich bist du heute viel netter. Das wusste ich im Voraus. Jeder mit ein bisschen Grips wird netter, wenn er älter wird. Aber damals waren wir alle so zornig.«
»Du hast deinen Zorn anscheinend sehr effektiv vor deinen Karren gespannt.«
»Mir hat einmal jemand gesagt, zornige und intelligente junge Männer rasten entweder völlig aus oder haben großen Erfolg.«
Das gab mir einen Ruck – so ein Zufall. »Komisch. Genau dasselbe hat vor Kurzem eine Freundin zu mir gesagt, über einen anderen Bekannten von damals. Erinnerst du dich an Serena Gresham?«
»Ich erinnere mich an jeden, der bei diesem Dinner dabei war.«
Ich zog die Augenbrauen hoch und nickte langsam – das ging sicher allen so. Kieran fuhr fort: »Aber an Serena erinnere ich mich noch aus anderen Gründen. Sie war eng mit Joanna befreundet, selbst dann noch, nachdem Joanna mit mir durchgebrannt war. Serena war es auch, die mich ermahnt hat, ja nicht auszurasten.«
Mich beeindruckte Serenas großherziger Weitblick, weil sie mit Joanna und Kieran befreundet blieb, als die meisten anderen das Paar fallen ließen. Andererseits war ich etwas enttäuscht; ich hatte mir eingebildet, Serena hätte ihr Bonmot eigens für mich geprägt, und nun entpuppte es sich als Versatzstück ihrer Konversation. »Bei mir dachte Serena dabei an Damian Baxter, ein weiteres Mitglied unseres portugiesischen Dinnerclubs.«
»Das Gründungs mitglied sozusagen.« Er nahm noch einen
Schluck Wein. »Damian Baxter und ich waren in jenem Jahr wohl die beiden Absolventen der Schule des Lebens.«
Natürlich mussten sie sich kennen, diese beiden Giganten. Damian hatte mir erzählt, dass Kieran einen Bogen um ihn machte, und ich war neugierig, ob das wirklich stimmte. »Ihr seid euch sicher ab und zu über den Weg gelaufen, bei irgendwelchen Treffen der Magnaten und Mildtätigen«, sagte ich.
»Eigentlich nicht.« Das sprach Bände.
»Jener unselige Abend wird uns wohl unser Leben lang nachhängen«, tastete ich mich weiter vor.
Er lächelte und sagte mit einem leichten Achselzucken: »Damian ist nicht mein Freund, aber aus anderen Gründen.«
Diese Gründe hätte ich natürlich zu gern erfahren, befürchtete aber, ein weiteres Stochern im Wespennest könnte meine Recherchen gefährden. Dazu war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. »Er hat jedenfalls kein solches Geheimnis um seinen Erfolg gemacht wie du.« Noch während ich das sagte, wurde mir klar, wie sehr ich Kieran jetzt schon bewunderte. Jemanden rückhaltlos bewundern zu können tut immer gut. Es machte mir Freude, Kieran den verdienten Respekt zu zollen. Umso mehr, als ich dann über jemanden, den ich noch nie hatte leiden können, leichter die Nase rümpfen konnte.
Kieran schüttelte den Kopf. »Damian hat den Ruhm nicht gesucht, der hat sich einfach ergeben. Ich habe Unsummen aufgewendet, um meinen Namen aus allem herauszuhalten. Wer ist da eitler, wer der größere Wichtigtuer?«
»Warum war dir das so wichtig?«
Er überlegte kurz. »Aus mehreren Gründen. Einerseits empfand ich es als Zeichen von Reife, Öffentlichkeitsrummel zu vermeiden, andererseits hatte ich einfach genug davon. In meinen Tagen
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