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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Subsistenzwirtschaft der Jäger und Sammler stieß die Planung schnell an ihre Grenzen. Paradoxerweise ersparten sie sich damit eine Menge Sorgen. Es wäre vollkommen sinnlos gewesen, sich über Dinge den Kopf zerbrechen, auf die sie sowieso keinen Einfluss hatten.
    Mit der landwirtschaftlichen Revolution drängte sich die Zukunft immer mehr in den Vordergrund. Bauern müssen immer an die Zukunft denken und in ihrem Dienste arbeiten. Die landwirtschaftliche Produktion ist dem Rhythmus der Jahreszeiten unterworfen, auf lange Phasen des Wachstums folgen kurze Phasen der Ernte. Und kurz nachdem das Korn gedroschen war, stand der Bauer schon wieder auf dem Feld: Er hatte zwar genug zu essen für die kommenden Tage, Wochen und Monate, doch er musste schon wieder an das nächste und übernächste Jahr denken.
    Die Sorge um die Zukunft hing nicht nur mit dem Rhythmus der Jahreszeiten zusammen, sondern mit der ganz grundsätzlichen Unsicherheit der Landwirtschaft. Da in den meisten Dörfern nur eine sehr begrenzte Zahl von Pflanzen angebaut und Tieren gezüchtet wurde, waren sie den Gefahren von Dürre, Überschwemmung oder Krankheit ausgesetzt. Die Bauern mussten jedes Jahr mehr produzieren, als sie benötigten, um sich Vorräte anlegen zu können. Ohne diese Vorräte würden sie in Jahren mit schlechten Ernten nicht überleben. Und dass diese mageren Jahre früher oder später kommen würden, war sicher. Ein Bauer, der sich der Illusion hingab, dass es nur fette Jahre geben würde, überlebte nicht lange.
    Mit dem Beginn der Landwirtschaft machte sich also die Sorge um die Zukunft in den Köpfen der Menschen breit. In Gegenden wie der Levante, die immer wieder von Dürren heimgesucht werden, gruben sich jeden Herbst die Sorgenfalten in die Gesichter der Bauern. Sie standen morgens auf, hielten die Nase in den Wind und suchten mit den Augen den Horizont ab. War das eine Wolke? Würde der Regen rechtzeitig kommen? Würde es genug regnen? Würden schwere Stürme die Saat von den Feldern spülen oder die jungen Halme zerdrücken? In den Tälern des Eufrat, Indus und Yangtse blickten andere Bauern ebenso besorgt auf den Pegelstand. Sie warteten darauf, dass der Fluss die Ebene überflutete, seinen nährstoffreichen Schlamm ablagerte und ihre gewaltigen Bewässerungsanlagen mit Wasser füllte. Doch eine Flut, die zu viel Wasser brachte oder zur falschen Zeit kam, konnte ihre Felder genauso zerstören wie eine Dürre.
    Bauern machten sich nicht nur deshalb Gedanken über die Zukunft, weil sie mehr Grund zur Sorge hatten, sondern auch, weil sie etwas tun konnten. Sie konnten einen neuen Acker anlegen, einen neuen Bewässerungskanal ausheben oder mehr Getreide aussäen. Der besorgte Bauer war fleißig wie eine Biene, er pflanzte Olivenbäume, deren Früchte erst seine Kinder und Enkelkinder ernten würden, und lagerte die Ernte für den Winter und das kommende Jahr ein, auch wenn er sie am liebsten schon heute gegessen hätte.
    Die Sorgen und Belastungen der bäuerlichen Existenz hatten weitreichende Konsequenzen. Sie waren die eigentliche Antriebskraft für die Schaffung einer unüberschaubaren Vielfalt von politischen und gesellschaftlichen Systemen. Leider gelang es den fleißigen Bauern nie, ihren Traum von der wirtschaftlichen Sicherheit durch harte Arbeit wahr zu machen. Überall machten sich Herrscher und Eliten breit, die den Bauern ihre Überschüsse wegnahmen und ihnen gerade genug zum Überleben ließen.
    Die geraubten Lebensmittelvorräte wurden der Treibstoff der Geschichte und der Zivilisation. Sie waren es, die Politik, Kriege, Kunst und Philosophie antrieben und Paläste, Festungen, Monumente und Tempel errichteten. Bis in die Spätmoderne hinein waren 90 Prozent der Menschheit Bauern, die jeden Morgen bei Sonnenaufgang aufstanden und im Schweiße ihres Angesichts ihr Land bestellten. Mit den Überschüssen, die sie erzeugten, ernährten sie eine kleine Elite von Königen, Beamten, Soldaten, Priestern, Künstlern und Denkern, die heute die Seiten der Geschichtsbücher füllen. Geschichte ist etwas, das eine kleine Minderheit tut, während die anderen Äcker pflügen und Wasser schleppen.
    Eine erfundene Ordnung
    Dank der von den Bauern produzierten Überschüsse sowie der neuen Transportmittel konnten sich immer mehr Menschen zuerst in Dörfern und dann in Städten zusammendrängen. Gleichzeitig eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten, Imperien zu schmieden und Handelsnetze zu knüpfen, die viele Dörfer und

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