Eine riskante Affäre (German Edition)
würde er ihr verraten, welche Räume leer waren und hinter welcher Tür sich jemand aufhielt. Er würde sie warnen, wenn jemand kam. Mit Kedger im Ausguck war sie vor Überraschungen gefeit.
Sie kroch ans Ende des Daches und blickte über die Kante. Vier Stockwerke tiefer schlenderten Hüte und Hauben über den Gehweg. Niemand sah nach oben. Das taten sie nie. Beim Stehlen ging es darum, sich immer ganz offen an den Stellen zu zeigen, wo die Leute nicht hinschauten.
»Die meisten Jobs haben einen Haken.« Das sagte sie leise in Richtung der Krallen, deren Kratzen sie in einiger Entfernung vernahm. »Das war unser Haken. Der Rest wird ein Kinderspiel.«
Keine Antwort. Doch sie war sicher, dass Kedger ihre Meinung teilte.
Eine Zeit lang verlief Eatons Dach auf und ab und auf und ab, über eine Reihe von Gauben hinweg. Überall solide britische Handwerksarbeit mit italienischen Einflüssen, was die Formgebung anging.
»Wenn ich den Kapitän von der Liste gestrichen habe, werde ich einen Bogen um sein Haus machen.« Hier gab es eine Menge abwechslungsreicher Möglichkeiten, sich festzuhalten. Ein wahres Vergnügen, auf diesem Dach herumzukrabbeln. »Ehe ich mich in seinem Bett wiederfinde. Ich stelle nämlich fest, dass ich auf dem besten Wege dorthin bin. Noch bin ich zwar nicht unter seiner Decke gelandet, aber ich denke doch mehr darüber nach, als ich sollte.«
Kedger folgte ihr so, dass er gerade außer Sichtweite war.
Dass sie einen berechtigten Groll auf den Kapitän hegte, wog nicht so schwer, wie man meinen sollte.
Sie mied ein paar Dachrinnen. Niemand brachte Regenrinnen in der Weise an, wie es notwendig wäre.
Kedgers Kopf tauchte auf einmal über der Dachlinie auf. Mit einem Gegenstand im Maul stürzte er auf sie zu. Jess nahm einen Knopf von ihm entgegen. Als sie ihn mit etwas Spucke und einem Stück vom Ärmel polierte, zeigte sich, dass er aus Messing war. Erstaunlich, was Kedger so alles anschleppte, besonders auf einem Dach!
»Wir werden noch alle steinreich, wenn du so weitermachst.« Um ihm eine Freude zu machen, ließ sie den Knopf in den Sack fallen. Er schnupperte ihm eine Minute lang hinterher, bevor er auf ihren Arm kletterte und ihre Zöpfe untersuchte. Schnüffelte … nagte … zupfte … zerrte.
»Ist da drinnen etwas, wovon ich wissen sollte?«
Kedger antwortete mit einer Bemerkung über Frauen, die Frettchen in Leinensäcken mit sich herumschleppten, und das nicht gerade zimperlich.
»Entschuldigung, mein Freund. Das nächste Mal passe ich besser auf.«
Er schnalzte und klang dabei immer noch verstimmt.
»Hast du vor, mir alle Zöpfe zu zerfleddern oder nur den einen?«
Er hatte seine Meinung kundgetan. Also ließ er sich auf dem angestammten Platz auf ihrer Schulter nieder, krallte sich fest, richtete sich hoch auf und hielt die Nase in den Wind. Nach Süden , befahl er.
»Von mir aus. Lass uns mal einen Blick in Kapitän Kennetts Geschäftsbücher werfen.«
Zwei Etagen tiefer verließen die Angestellten von Eaton den Haupttrakt, um zum Mittagessen ins Gasthaus zu gehen. Sie würde durch die Dachkammer eindringen und ein vollkommen leeres Gebäude vorfinden. Oh Herr, wie sie Einbrüche liebte!
15
Meeks Street
Es regnete auf diese trübsinnige englische Weise, als Jess den Droschkenkutscher bezahlte. Obwohl es noch nicht Abend war, waren die Fenster auf der gesamten Meeks Street erleuchtet. Überall in diesen großen, luxuriösen Häusern würden wärmende Feuer und helle Lampen sein sowie Menschen, die in ausgelassener Stimmung bei einer Tasse Tee zusammensaßen.
Meeks Street bestand aus einer selbstgefälligen Ansammlung stuckverzierter Häuser. Sie hatten Mauern um ihre Gärten gezogen, damit ihnen das Gras und die Bäume nicht abhandenkamen. Weitere Bäume mit kleinen runden Blättern wuchsen auf einem schmalen Grünstreifen, der in der Mitte der Straße verlief. Die Luft roch feucht und frisch.
Da war sie also. Beim Hauptquartier des britischen Geheimdienstes. In dem Augenblick, als sie das Tor aufschwang, schlug der Hund im Haus tief wie ein Bronzegong an. Keine Chance, sich an Haus Nummer sieben anzuschleichen.
In ihrem Magen saß ein stumpf schmerzender Knoten, so sehr sehnte sie sich danach, bei Papa zu sein. Wenn er damit fertig wäre, sie anzubrüllen, würden sie gemeinsam dasitzen, sich über russische Zobel, Brandy und den Preis von Indigo unterhalten und sich gegenseitig vorgaukeln, dass alles wieder in Ordnung käme.
Auf dem Messingschild neben der
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