Eine Rose im Winter
von hinten näherte, immer deutlicher zu hören. Ihr eigener Wagen wurde immer langsamer und begann gleichzeitig stärker zu schaukeln und zu stoßen, als Tanner versuchte, das Gefährt an den äußersten Straßenrand zu manövrieren. Eine Peitsche knallte und Klirren von Zaumzeug wurde lauter. Die Pferde, die Erienne zuerst zu sehen bekam, waren sorgfältig zusammengestellt und bildeten ein prächtiges Gespann. Es folgte ein großer schwarzer Wagen mit dicht geschlossenen Samtvorhängen. Auf dem Bock saß der Fahrer mit einem Wachmann, hinten zwei Bedienstete. Es folgten acht Berittene, die so gut bewaffnet waren wie die Soldaten des Königs. Der dahineilende Wagen gehörte sicher einem reichen Herrn, das war offensichtlich. An der Tür befand sich jedoch an Stelle des Wappens nur ein noch ziemlich neu aussehender Fleck.
Erienne war es unverständlich, warum solch ein nobles Haus es vorziehen sollte, auf der Reise sein Wappen zu verbergen. Ganz sicher lag die Absicht nicht darin, das Interesse von Diebesbanden zu zerstreuen, wenn man seinen Reichtum so offen zur Schau stellte.
Lord Saxton verfolgte das vorbeifahrende Fahrzeug mit seinem Blick, ohne etwas dazu zu sagen. Seine einzige Reaktion bestand darin, auf seine kleine Taschenuhr zu sehen, nachdem sie der Wagen überholt hatte. Dann lehnte er sich in die Ecke seines Sitzes und verschränkte die Arme, als ob er schliefe. Ein gelegentliches Glitzern aus seinen Augenlöchern zeigten ihr jedoch, daß sie genau beobachtet wurde.
Zum Abend hielten sie an einem anderen Gasthof. Alle unterhielten sich aufgeregt über die geheimnisvolle schwarze Kutsche, die ohne zu halten in scharfem Tempo vorbeigefahren war. Einige Gäste, die nicht auf die eine Person achteten, die sich im Schatten verborgen hielt, brüsteten sich damit, von einem vernarbten und verkrüppelten Lord der Ländereien im Norden gehört zu haben. Er trüge einen Helm und würde Wert darauf legen, unerkannt zu bleiben. Sie wollten darauf wetten, daß er es sei, der hinter den dicht geschlossenen Vorhängen säße. Als ihr Blick schließlich auf das furchterregende Gesicht von Lord Saxton fiel, sperrten sie Mund und Ohren weit auf … wurden bleich … und fingen vor Verwirrung an zu stottern. Mit gleicher Verwunderung äußerten sie sich in halblautem Ton über die blendende Schönheit seiner Frau. Erienne hatte das unbestimmte Gefühl, daß ihr Mann sich an diesen unterschiedlichen Reaktionen ergötzte und dazu neigte, sie noch zu provozieren. Doch er ließ auch keine Unklarheit darüber aufkommen, daß sie nur ihm gehörte. Niemand sollte auf den Gedanken kommen, diese Grenze zu überschreiten, wie der törichte Wüstling auf ihrer Reise nach dem Süden. Eine der großen, von Lederhandschuhen bedeckten Hände, die leicht und besitzergreifend an ihrer Taille ruhte, verlieh dem Nachdruck.
Es schien, als ob die schwarze Kutsche den gleichen Weg nach Norden nahm wie die Saxtons. Den ganzen folgenden Tag hörten sie von ihr. Die ersten weichen, weißen Flocken, die auf die Straße fielen, verrieten, daß sie vorausgefahren war. Sowie sie weiter nach Norden fuhren, verschwanden diese Spuren jedoch im tiefer werdenden Schnee. Die gefrorene weiße Decke ließ sie um so langsamer vorwärts kommen, und erst am nächsten Abend konnten sie Mawbry hinter sich lassen. Das graue, massige Gebäude von Saxton Hall war selbst für Erienne ein willkommener Anblick. Abgespannt nahm sie zum Abendessen nur eine Kleinigkeit zu sich. Die Sicherheit ihres eigenen Bettes wirkte auf Erienne wie Balsam, so daß sie schnell einschlief. Halb träumend ließ sie in Gedanken die ereignisreichen letzten Tage an sich vorbeiziehen, und das Bild eines lächelnden Christopher verschwand, um der nackten, starrenden Maske von Lord Saxton Platz zu machen. Das schwarze Ledergesicht blieb bei ihr, bis sie in einen erschöpften Schlaf fiel, der alle leichtsinnigen Gedanken versinken ließ.
Noch war keine ganze Woche seit ihrer Rückkehr vergangen, und doch verstrich kaum ein Abend, an dem man nicht irgend etwas von einem nächtlichen Reiter hörte, der durch die nördlichen Hügel streifte. Die Türen der Hütten, hinter denen bisher die Bewohner unbesorgt schlafen konnten, wurden nun fest gegen jeden möglichen Eindringling verschlossen.
Haggard war einer von denen, der zum Sheriff gerannt kam und ihm atemlos von dem Wesen berichtete, das ihn in der Nacht verfolgt hatte. Er erklärte eifrig, daß er bereit wäre, gegen das Unwesen zu
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