Eine zweite Chance für den ersten Eindruck (German Edition)
mehr.“
„Dann muss ich uns noch etwas zu essen besorgen. Ich kann das süße Zeug nicht auf nüchternen Magen essen. Ich hatte noch kein Abendessen. Warte! Hast du gerade Ja gesagt?“ Er strahlt mich an und sieht sehr viel entspannter aus, als bei seiner Ankunft.
„Ja, habe ich. Du kannst es ruhig glauben. Magst du Tomatencremesuppe und Knoblauchbrot? Ich habe noch einen guten Rest von meinem Abendessen.“
„Darlin’, ich will dir keine Umstände machen.“
„Das sind keine Umstände. Deine Wäsche dauert sowieso noch etwas, und wenn du es nicht isst, dann findet Thorsten es spätestens morgen Mittag. Wo ist eigentlich Lucy?“
„Die ist bei meinen Eltern. Sie hat mit meiner Mutter den ganzen Nachmittag Cookies gebacken und schläft heute dort. Morgen ist ja Samstag, da muss sie schließlich nicht früh aufstehen und ich kann auch noch mal ausschlafen.“
Eric leistet mir Gesellschaft in der Küche, während ich das Essen aufwärme. Gierig isst er eine ordentliche Portion und lobt überschwänglich meine Kochkünste. Die Mengen an Essen, die er herunter schlingt, würden mich wahrscheinlich abstoßen, wenn ich es nicht von Thorsten gewohnt wäre. Ich sitze ihm am Küchentisch gegenüber und beobachte ihn beim Essen, während ich an meinem abgekühlten Kakao nippe.
Als das Piepen des Wäschetrockners signalisiert, dass Erics Kleidung nun trocken ist, kann er es schon kaum noch erwarten, aus Thorstens Bademantel herauszukommen. Er schlüpft in seine Klamotten und wir machen uns vor dem Fernseher über die Cupcakes her. Ich bemerke seine verstohlenen Blicke und versuche, ihn nicht zu sehr selbst zu beobachten.
„Ich muss dir noch etwas erzählen“, sagt er, als wir uns zum gemeinsamen Fernsehen eingekuschelt haben. „Ich war nicht ganz ehrlich und ich muss es dir jetzt erzählen. Sonst habe ich das Gefühl, dich schon wieder zu belügen.“
„Was ist es denn?“, frage ich leise und traue mich kaum, ihn anzusehen.
„Ich habe dir ja gesagt, dass ich mich seit vier Jahren jeden Tag um Lucy gekümmert habe. Das stimmt nicht ganz.“
Jetzt hat er meine Aufmerksamkeit. Ich setze mich auf und sehe ihn abwartend an.
„Als die Ärzte mir gesagt haben, dass Jasmin tot ist, da habe ich einfach das Krankenhaus verlassen und Lucy dort gelassen. Ich bin nach Hause gefahren und habe mich fast ins Koma gesoffen. Zu der Beerdigung meiner Frau bin ich sturzbetrunken aufgetaucht. Meine Eltern hatten Lucy in ihre Obhut genommen und versuchten tagelang, an mich ranzukommen. Gleich nach der Beerdigung bin ich wieder nach Hause gefahren und habe mich mit einer Flasche Wodka in die Badewanne gelegt.“
Das klingt gar nicht gut. Ich nehme seine Hand und drücke sie ermunternd.
„Meine Eltern hatten einen Wohnungsschlüssel. Sie haben die Küche mit vorbereiteten Milchflaschen ausgestattet und genügend Milchpulver für eine Woche deponiert. Anschließend haben sie Lucy in ihrer Babyschale vor die Badezimmertür gestellt und einfach die Wohnung verlassen. Selbstverständlich hat sie irgendwann angefangen zu weinen. Erst habe ich versucht, dass zu ignorieren, weil ich dachte, dass meine Eltern schon noch irgendwo wären. Leider hatte ich mich da geirrt. Also war ich gezwungen, mich auszunüchtern und mich um mein Baby zu kümmern. In den ersten Wochen habe ich nur funktioniert und Lucy wirklich nur versorgt. Irgendwann ist die ganze Trauer über mir zusammengebrochen und mir ist bewusst geworden, dass Lucy alles ist, was mir von Jasmin noch bleibt. Ich habe sie nachts in mein Bett geholt und stundenlang nur betrachtet, bis bei mir durchgesickert ist, dass dies tatsächlich mein Kind ist.“
Eric ist sehr gefasst, doch sein Blick ist abwesend.
„Ich kann nicht glauben, dass deine Eltern sie tatsächlich einfach bei dir abgestellt haben“, ist alles, was mir dazu einfällt.
Eric lacht. „Dasselbe dachte ich damals auch. Als ich Lucy das erste Mal angezogen und in ihren Kinderwagen gepackt habe, um Milchnachschub zu besorgen, bin ich über meinen Vater gestolpert, der auf meiner Fußmatte saß. Wie ich erfahren musste, hat meine wunderbare Familie in diesen ersten Tagen vor meiner Haustür Wache geschoben. Außerdem hatten sie ja recht. Lucy ist meine Tochter und Jasmins Tod hat nichts daran geändert, dass ich für sie verantwortlich bin.“
„Du scheinst eine tolle Familie zu haben.“
„Das habe ich. Und ich möchte, dass du sie kennenlernst.“
Als die letzte Comedysendung dem Ende zugeht und
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