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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef H. Reichholf
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würde.
    Zudem hatte es bereits Krieg zwischen den Athenern und den Amazonen gegeben, weil der Athener Theseus die Königin vergewaltigt hatte, die arglos auf sein Schiff gekommen war. Das war natürlich ein Kriegsgrund. Hippolyte, die offenbar durchaus ganz weiblich und männlicher Kraft sich hinzugeben geneigt war, gebar Theseus einen Sohn. Doch dieser hatte schon eine andere Frau im Sinn. Hippolyte ging deshalb zu ihrem Volk, den langhaarigen Amazonen, zurück. Als Herakles bei ihnen ankam, wurde er trotz der vorausgegangenen Ereignisse wohlwollend aufgenommen. Hippolyte suchte ihn auf dem Schiff auf. Herakles erzählte ihr, worum es ging. Da gab sie ihm den zauberkräftigen Gürtel. Damit war vermutlich ausgedrückt worden, dass sie ihren Keuschheitsgürtel ablegte und sich Herakles hingab. Das passte nun aber Hera ganz und gar nicht. Ihr Streben war ja, den Bastard, den ihr Göttergatte Zeus in die Welt gesetzt hatte, zu vernichten. Also verwandelte sie sich in eine Amazone und wiegelte die anderen gegen Herakles auf. Die Amazonen griffen das Schiff an. Herakles, Verrat witternd, tötete daraufhin Hippolyte und segelte mit ihrem Gürtel davon. Er hatte auch diese Aufgabe gelöst, wenngleich nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte.
    Waren die beiden letzten Prüfungen schon außerhalb Griechenlands zu bestehen, so führte ihn die zehnte nun noch weiter fort in den fernen Westen. Wohin genau, ist nicht klar, denn die Insel Erytheia, das ›Rotland‹, soll nach Hesiod außerhalb der »Säulen des Herakles«, Gibraltar, nahe Gadeira (Cádiz) oder unter den westlichen Inseln der Hesperiden gelegen sein. Gadeira passt allerdings ungleich besser als die Hesperiden, mit denen möglicherweise die Kanarischen Inseln gemeint waren. Denn es ging wieder um Vieh. Geryon war der Besitzer der Herde, die Herakles rauben und nach Griechenland bringen sollte. Seine Besonderheit bestand darin, dass er aus drei zusammengewachsenen Körpern bestand und im Kampf dreifache Kräfte hatte. Ein Hirte und ein großer Hund, ein Geschwister des Höllenhundes Kerberos, bewachten die Herde roter Stiere. Herakles erschlug mit seiner gewaltigen Keule Hund und Hirte. Der von diesem Überfall benachrichtigte dreileibige Geryon forderte Herakles zum Kampf heraus. Doch dieser erschoss ihn mit seinem vergifteten Pfeil, bevor es richtig zum Streit kam. Hera, die zur Unterstützung Geryons herbeigeeilt war, wurde dabei auch verletzt und floh.
    Kern der zehnten Aufgabe war also erneut Vieh; besonders wertvolles, weil speziell gezüchtetes Vieh. Es handelte sich um rote Stiere, wie sie auf der Iberischen Halbinsel bevorzugt waren. Die nahe Flusslandschaft der Guadalquivirmündung, jetzt Nationalpark Coto Doñana, mit den Rinderzuchtgebieten entspricht geographisch den Angaben wie auch den Anforderungen bestens. Ganado bedeutet im Spanischen ›Vieh‹ und ist damit dem alten Namen für Cádiz, Gadeira, recht ähnlich.
    Der dreiteilige Geryon wurde schon im europäischen Frühmittelalter als eine Bezeichnung für Drillingsbrüder gehalten. Isidor von Sevilla (~ 560 bis 636 n.Chr.) vertrat die Ansicht, dass die drei Brüder wie eine Einheit gehandelt hatten, so dass eine einzige Seele in drei Leibern lebte. Isidor war Bischof von Sevilla. Er lebte also direkt am Rande des großen Rinderzuchtgebietes am Unterlauf und im Mündungsgebiet des Guadalquivir. Er versuchte als Bischof das Wissen der Antike für die Christenheit zusammenzustellen und zu erhalten.
    Die elfte Aufgabe bestand darin, die goldenen Äpfel der Hesperiden zu bringen. Diese wuchsen in einem paradiesischen Garten auf einer Insel der Hesperiden. Der hundertköpfige Drache Ladon bewachte sie. Denn die Erdmutter Gaia hatte die Äpfel zur Vermählung von Zeus und Hera geschaffen. Den Göttern schenkten diese Äpfel ewige Jugend. Herakles bot Atlas an, für ihn das Himmelsgewölbe zu tragen, wenn er ihm die goldenen Äpfel holte, was dieser auch tat. Eurystheus jedoch, besorgt, die Götter könnten ihm nun übel gesonnen sein, reichte die ihm von Herakles mitgebrachten Äpfel an Athene weiter, die sie unverzüglich wieder an ihren Platz zurückgab.
    Der italienische Botaniker Giovanni Baptista Ferrarius, der von 1584 bis 1655 lebte, vertrat 1646 die Ansicht, dass mit den goldenen Äpfeln der Hesperiden Zitrusfrüchte gemeint waren. Doch schon ein Jahrhundert früher, 1544, hatte Pietro Andrea Matthioli die aus Amerika nach Europa gebrachten Tomaten »Goldäpfel« (pomi d’oro) genannt und

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