Eismord
Sagen Sie es einfach, ohne nachzudenken.«
»Nervös. Auf der Hut.«
Donna lehnte sich auf ihrer Sitzbank zurück. »Sie meinen, in Bezug auf meine Motive? Na ja, das ist ziemlich verständlich, und Sie haben recht, dass ich sämtliche Informationen aus Ihnen rausquetschen möchte, die ich nur bekommen kann. Aber das wäre auch unter anderen Umständen so. Ich hätte mich einfach in Ihrer Dienststelle mit Ihnen verabreden oder Sie bei der nächsten Pressekonferenz ins Visier nehmen können. Wenn Sie also meinen, ich hätte Sie nur um dieses Abendessen gebeten …« Sie schüttelte den Kopf. »Sie müssen einfach nur weiter raten.«
Cardinal neigte sein Weinglas und vertiefte sich in das rubinrote Licht darin. »Das ist das erste Mal seit … Jahrzehnten, dass ich mit einer anderen Frau in ein Restaurant gehe. Ich hab nicht die geringste Ahnung, was ich tun oder sagen soll.«
»Unsinn. In Wahrheit wirken Sie verdächtig gelassen.«
»Auch, weil Sie ungefähr ein Dutzend Jahre jünger sein müssen als ich, und Sie sind, ich weiß nicht, radioaktiv oder so.« Cardinal zuckte die Achseln. »Was halten Sie davon, mir zu erzählen, was Sie noch alles über die Bastovs wissen?«
Sie schob ihren Teller weg und nippte an ihrem Wein. »Lev und Irena Bastov. Die kleine Einkäuferin Irena verliebt sich in den Großfabrikanten Lev. Zwei Monate später heiratet sie ihn und zieht nach New York, und zwar genau in dem Moment, als ihr eigener kleiner Pelzhandel den Bach runtergeht. Was soll ich sagen? Das Mädchen kann sich beglückwünschen.«
»Hat sich jeder mit ihr gefreut?«
»Uh, an Ihnen ist ein Reporter verlorengegangen. Irena hat einen Bruder namens Yevgeny. Offenbar konnte er sein Glück nicht fassen, als er von den Heiratsplänen hörte – hat überall herumposaunt, Lev würde seine schlechtgehende Pelztierfarm kaufen und ihm was Besseres verschaffen, vielleicht sogar irgendwann in der Produktion. Endlich war Land in Sicht. Nur dass er dann unglücklicherweise diese Farm in den Bankrott trieb, und auf einmal ist nicht mehr alles Friede, Freude, Eierkuchen. Hat Ms. Kuritsyn Ihnen das nicht erzählt?«
»Andeutungsweise.«
»Also machen wir’s kurz. Die Jungvermählten schweben auf Wolken, die Bastovs sind das Dreamteam der Pelzbranche. Man sieht sie in New York, man sieht sie in Kopenhagen, man sieht sie in Seattle. Bei sämtlichen wichtigen Auktionen sind die beiden mit von der Partie. Dann passiert vor ein paar Jahren vor der Auktion eine merkwürdige Sache. Das war in Kopenhagen. Eine Ausbeute von vierhundertsechzigtausend Nerzen und Gott weiß was noch für Pelzen steht zum Verkauf, und wissen Sie was? Niemand bietet.«
»Niemand? Sie halten eine Auktion ab, und niemand kauft was?«
»Nicht ein einziger Pelz kommt unter den Hammer. Sicher, wir leben in einem globalisierten Markt, und, sicher, wir haben in letzter Zeit ein paar warme Winter gehabt. Aber nicht ein Pelz?
Dann kommen wir letztes Jahr nach Seattle. Die Pelze verkaufen sich so gut wie immer. Aber die Preise – die Preise gehen in den Keller. Und das, obwohl die Nachfrage mit Ausnahme dieser Geschichte in Kopenhagen mehr oder weniger stabil ist. Der Treibhauseffekt kann einen derart rasanten Preisverfall nicht erklären. An dem Punkt fing die Sache an, mich zu interessieren. Ich kam von der Mode. Die Redaktion hat mich auf die Bekleidungsindustrie angesetzt – ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie öde das ist. Davor hab ich für kurze Zeit über den Kunstmarkt berichtet. Jedenfalls bin ich eines Tages gerade dabei, mich in die Geschichte des russischen Pelzhandels einzuarbeiten, da kommt mir das Gerücht zu Ohren, Lev und Irena hätten einen Bidding-Ring organisiert. Zunächst war das nichts weiter als ein Gerücht. Sie haben schon mal von Bidding-Rings gehört?«
»Klar«, sagte Cardinal. »Jemand will ein Gemälde verkaufen und bittet Freunde, den Preis in die Höhe zu treiben.«
»Genau. Nur, dass es hier darum ging, den Preis möglichst tief zu halten. Sehr gute Ausgangsposition, wenn man als russischer Hersteller versucht, mit chinesischen Billiglöhnen zu konkurrieren. Aber Sie glauben nicht, wie einsilbig die Leute auf einmal wurden, als ich anfing, mich in der Sache umzuhören.«
»Und Sie meinen, die hängen mit der russischen Mafia zusammen?«
»Ob ich glaube, dass Lev selber ein
vory,
ein russischer Mafioso, war? Nein. Aber irgendeine Verbindung? Ganz bestimmt. Wer sonst könnte einen ganzen Industriezweig derart
Weitere Kostenlose Bücher