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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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in arge Bedrängnis gebracht hat. Alte Strategiefragen des Verhältnisses zwischen dem SED-Staat und der Kirche einerseits werden ebenso wieder aufgeworfen wie andererseits das der Kirche zum SED-Staat. Die öffentliche Selbstvernichtung des Kirchenmannes hat den empfindlichen Waffenstillstand zwischen beiden Instanzen beschädigt. Auch für sie ist die Situation neu. Denn: In der Geschichte der DDR hat es bisher nie einen vergleichbaren Vorgang gegeben.
    Flugs werten ihn beide Seiten auf ihre Art aus: Die Kirche sucht zunächst nach den psychologischen Ursachen des Geschehens und beschäftigt sich mit den möglichen regionalen Auswirkungen auf den Kirchenkreis. Die Staatsmacht hingegen wittert augenblicklich die Gefahr, daß der Suizid des Pfarrers dem Westen neuen politischen Zündstoff gegen die DDR liefern könnte, und versucht, ihn als Handlung eines Geistesgestörten zu erklären. Aber das muß erst nachgewiesen werden. Nur der Selbstmord reicht dafür nicht aus. Partei- und Staatsorgane treffen die entsprechenden psychologischen Vorbereitungen. Sie sammeln „Stimmungen und Meinungen der Werktätigen“. Das Ergebnis wird in einer „Information der SED-Kreisleitung vom 19./20. August 1976“ an die Parteispitze weitergeleitet. Darin heißt es u. a.: „… daß die Werktätigen einschließlich der kirchlich gebundenen Bürger diese Handlung scharf verurteilen. Sie kommentieren diese Tat mit der Bemerkung: ‚Zu solch einer Handlung ist nur ein Geisteskranker fähig.‘ Besonders bei den Arbeitern gibt es Abscheu und Empörung mit der Feststellung, daß diese Handlung eine offene Provokation und ein Angriff auf unseren sozialistischen Staat ist, der in das Konzept des Klassengegners mit seiner Hetze gegen die DDR und den Sozialismus paßt.“
    Emsig erkunden die Sicherheitsorgane alles, was sie für bedeutungsvoll halten. Das fällt ihnen offenbar nicht schwer, denn Oskar Brüsewitz ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge. Seine unverzeihlichen Eskapaden füllen bereits eine dicke Akte. Der SED-Führung ist schon lange bekannt, daß „er keinen Hehl aus seiner negativen politischen Grundeinstellung“ macht.
    Mit teilweise absurden Argumenten versucht die Obrigkeit, Brüsewitz zu psychiatrisieren. Sein Fall soll auf die bedauerliche Tat eines Kranken reduziert werden. Das belegt die bereits am 18. August 1976 verfaßte interne Information des Rates des Kreises, in der es heißt:
    „… In seinem Auftreten gegenüber den örtlichen staatlichen Organen trat er provozierend auf. Forderungen des staatlichen Organs zur Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit, insbesondere bei der Durchführung von Veranstaltungen, ignorierte er. In Gesprächen brachte er zum Ausdruck, daß er die DDR mit der faschistischen Diktatur vergleiche
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    Während seiner Amtszeit in der Kirchengemeinde Rippicha zeigt Brüsewitz ein Verhalten, das Anlaß gibt, Brüsewitz auf seinen geistigen Zustand bei einem Psychiater untersuchen zu lassen
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    Folgende Fakten führen zu dieser Ansicht:
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    Am 14.8.1970 war im Kreis Zeitz ein schweres Gewitter
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    Der Ortsteil Lonzig wurde dabei besonders betroffen. Als alle Einwohner dieses Ortsteils bei der Beseitigung der Schäden halfen, behinderte B. diese und äußerte sich wörtlich: „Nun hat es die Kommunisten erwischt
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    Das ist Gottes Strafe.“
    Das löste eine große Empörung unter der Bevölkerung aus
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    Um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, lief B. mit einem Tonbandgerät des öfteren durch die Orte und spielte Lieder ab und sang dazu
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    Seinen PKW „Trabant“ benutzt er als Reklamefahrzeug, indem er diesen bemalt, Transparente anbringt und so durch die Orte fährt
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    Trotz vieler Aussprachen mit ihm brachte er an den Kirchturm in Rippicha ein großes Kreuz aus Leuchtstoffröhren an, welches er besonders an staatlichen Feiertagen leuchten ließ. Diese Maßnahme führte er auch in angespannter Energiesituation durch
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    Des weiteren brachte B. in seinem Grundstück Transparente mit Bibelsprüchen an, die von der Gestaltung her einen unästhetischen Eindruck machten
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    Als B. von den staatlichen Organen anläßlich der Volkswahlen 1974 darauf aufmerksam gemacht wurde, diese Transparente zu beseitigen, weigerte er sich und organisierte ca. 6 Pfarrer, die diese Transparente bewachten
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    Am 6.2.1972, als B. den Pfarrer von Draschwitz vertrat, spielte er vom Kirchturm der Kirche in Draschwitz Schlagermusik mittels Tonband ab und hielt die Kinder auch nach 19.00

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