Elfenlicht
damit wir uns nicht missverstehen«, beendete Elija ihr Schweigen. »Mir ist nicht an einem Bürgerkrieg unter euch Trollen gelegen. Ich würde es zutiefst bedauern, wenn es dazu käme. Und ich habe auch keine moralischen Einwände gegen einen Königsmord. Im Gegenteil, meiner Meinung nach erfordert die Dialektik der Gerechtigkeit hin und wieder ein königliches Opfer.«
»Was?« Skanga vermochte dem wirren Geschwafel des Lutin nicht zu folgen.
»Ich meine, Branbart starb doch sicherlich für das Wohl des Volkes.« Genauso war es gewesen. Doch in der Art, wie diese miese, kleine Fuchsschnauze das sagte, klang es irgendwie niederträchtig. Nie zuvor hatte sich Skanga derart in die Enge getrieben gefühlt. Sie wusste keinen Ausweg. Es bedurfte nur eines Wortes der Macht, und sie könnte diesem jämmerlichen Wicht den Schädel platzen lassen. Aber er hatte die Besitztümer des Königs zu genau beschrieben. Er machte ihr nichts vor, das spürte die Schamanin. Wenn sie Elija tötete, dann würden dessen Gefährten ihr Volk in einen mörderischen Bruderkrieg stürzen. Doch seine Forderung, alle Koboldsklaven ziehen zu lassen, war unmöglich zu erfüllen.
»Du sagtest doch, du willst mich nicht erpressen. Habe ich da etwas falsch verstanden?«
»Ganz und gar nicht!« In der Stimme des Kobolds schwang mehr als nur ein Anflug überheblichen Humors. »Ich freue mich, dass wir nun von gleich zu gleich weiterverhandeln werden. So wie es sich für einen vernünftigen Handel gehört, habe ich dir natürlich ein Angebot zu machen, und es wäre mir lieb, wenn uns die leidige Geschichte um Branbarts Tod künftig nicht mehr im Wege stünde. Was ich dir zu bieten habe, ist nicht weniger als Emerelles Kopf und als Dreingabe auch noch die Häupter aller anderen Elfenfürsten.« Er sagte das mit solcher Überzeugung, als warteten seine Henker schon hinter den Thronen der Elfen.
Skanga stierte nachdenklich auf ihren Schoß. Sie wusste einfach nicht, was sie von diesem Lutin halten sollte. War er vollkommen irre? Sie fand eine Laus auf ihrem Flickenkleid und schnippte sie ins Feuer. »Bring mir Emerelles Kopf, und du bekommst alle Kobolde. Ich lasse dir sogar die holen, die in die Menschenwelt verschleppt wurden.«
»Nein, nein.« Der Lutin sprang auf und lief wütend gestikulierend auf und ab. »So einfach geht das nicht! Willst du mich beleidigen? Hast du eine Ahnung, was für Strapazen ich auf mich genommen habe, um hierher zu kommen? Meine Pfadfinderin ist gerade nicht verfügbar, und ich musste mich zweitklassigem Ersatz anvertrauen, als ich die Pfade des Lichts beschritten habe. Verhöhne mich nicht! Ich bin nicht irgendein Wald- und Wiesenkobold!«
»Du hast mir doch die Köpfe der Elfen angeboten.«
Elija fuhr wütend herum. »Zweifelst du etwa an meinen Worten? Ich sage dir, den Elfenfürsten sitzen schon die Messer an den Kehlen, auch wenn sie davon keine Ahnung haben. Aber uns fehlt die Kraft, ihnen die Köpfe abzuschneiden. Die Kraft der Trolle! Als Verbündete werden wir unbesiegbar sein. Wenn die Elfen erst einmal vertrieben sind, werden wir einen Rat aus Trollkriegern und Kobolden gründen, um gemeinsam über Albenmark zu herrschen. Alle Völker werden dann gleich sein. Und Fürsten wird es keine mehr geben. Wir werden ein goldenes Zeitalter ...«
»Erklär mir doch bitte noch einmal die Sache mit den Messern an den Kehlen der Elfenfürsten«, unterbrach ihn Skanga.
Der Lutin wirkte einen Augenblick lang verwirrt. Zu sehr hatte er sich in den Träumen zukünftiger Herrschaft verfangen. Er atmete ein paarmal tief ein. Dann begann er erneut zu reden. In allen Einzelheiten schilderte er seinen Plan.
Als er endete, war Skanga begeistert. Elija hatte nicht zu viel versprochen. Den Elfen saßen tatsächlich die Messer an den Kehlen, und sie hatten in ihrer Überheblichkeit nicht die geringste Ahnung von dem Verhängnis, das über ihnen schwebte.
ERWACHEN
Ollowain strich sanft über das Stirnfell der Lutin. Es war struppig und ohne Glanz. Ihm fiel es schwer, in den Zügen der füchsköpfigen Koboldin zu lesen. War sie außer Gefahr? Seit zwei Tagen hatte ihr Herz nicht mehr ausgesetzt zu schlagen, doch noch immer wagte er nicht, seine Rechte von ihrer Brust zu nehmen.
Er wachte über den schwachen Schlag ihres Herzens, der flatternd und unregelmäßig zu fühlen war. Noch immer erschien es ihm so, als sei ihr müdes Herz jeden Augenblick bereit, stillzustehen. Selbst wenn es wieder zu Kräften kam, fürchtete Ollowain
Weitere Kostenlose Bücher