Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
die Schwachen begreifen, wie sehr sie uns gebraucht haben.« Die Königin straffte die Schultern. »Zu herrschen ist ein einsames Geschäft, Obilee. Aber ich werde nicht aufgeben. Das Glück ist die Gefährtin der Tapferen. Eleborn und all die anderen werden sehen, was sie davon haben, sich nicht beizeiten gegen die Trolle entschieden zu haben. Sie werden ...«
    Alle Farbe wich aus Emerelles Antlitz. Sie griff an ihr Herz und ließ sich kraftlos auf den Thronsessel sinken.
    Mit drei weiten Schritten stürmte Obilee die Stufen zum Thron herauf. »Herrin!«
    Die Königin lächelte. »Ich spüre ihn! Er ist zurück. Ich wusste, dass wir ihn nicht verloren haben. Ollowain ist zurückgekehrt! Nun wird sich unser Schicksal wenden. Der Schwertmeister ist mehr wert als Eleborn und all seine Wassermänner und Seeelfen zusammen. Er wird das Blatt wenden.« Der euphorische Ausbruch der Königin wirkte auf Obilee befremdlich. In all den Jahren bei Hof hatte sie Emerelle noch nie in einer solchen Stimmung erlebt. Die Herrscherin bemerkte ihre Skepsis. »Lass mir doch einen Abend lang meine Illusionen. Jetzt komm mit und hilf mir, ein Kleid auszusuchen.
    »Ich weiß nicht, ob ich dafür die Richtige bin«, entgegnete Obilee steif.
    »Du bist genau die Richtige!« Die Königin lächelte verschwörerisch. »Du bist jetzt eine fahrende Ritterin. In ein paar Tagen wirst du die Burg schon wieder verlassen. Ich muss mir also keine Sorgen machen, dass meine Geheimnisse bei Hof die Runde machen.«
    »Ich würde niemals ...«
    Emerelle legte ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern. »Auf 'ich würde' werde ich mich nicht verlassen. Du kannst nicht. Komm jetzt.« Sie führte Obilee aus dem Thronsaal hinauf in ihre Gemächer im Königinnenturm. Nur eine Hand voll Vertrauter hatte dort Zutritt. Früher einmal hatte Noroelle zu ihnen gehört.
    Emerelle war immer noch in ausgelassener Stimmung. Sie nahm zwei Stufen auf einmal und summte dabei leise eine Melodie, die der Barde Nuramon vor langer Zeit einmal für Noroelle ersonnen hatte. Jede einzelne Note war ein Stich in Obilees Seele. Nuramon! So lange war er nun schon verschwunden! Ob er und Farodin Noroelle wohl gefunden hatten? Sie alle waren Verbannte. Sie würden nie mehr nach Albenmark zurückkehren. Aber vielleicht fand wenigstens ihre Geschichte hierher. Vielleicht waren sie auch schon längst tot. So oft schon hatte Obilee versucht, Nuramon zu vergessen. Doch er nistete in ihren Gedanken wie die Tauben in den Turmfenstern der Burg. Einst, bevor die Schatten alle Vögel vertrieben hatten.
    Schweigend erreichten sie den kurzen Flur, an dessen Ende eine schmucklose Tür lag. Emerelle öffnete sie.
    Ihre Kammer war nicht sonderlich groß. Es gab nur wenige Möbel aus einem warmen, honigfarbenen Holz. Das Bett war nicht gemacht. Obilee musste schmunzeln. Sie würde sich nicht wundern, wenn Emerelles Leibdiener den Befehl hatten, es so zu belassen. Hier oben, dichter beim Himmel, erlaubte es sich die Königin, unvollkommen zu sein.
    Rotes Abendlicht fiel durch die Scheiben der Flügeltür, die hinaus auf den kleinen Balkon führte.
    Die Herrscherin trat vor den großen Spiegel, der die Wand gegenüber ihrem Bett einnahm. Der schwere Ebenholzrahmen war mit Intarsien aus schillerndem Perlmutt geschmückt. Stilisierte Rosenblüten und Blätter rankten ineinander.
    Eine flüchtige Bewegung der Herrscherin betätigte eine geheime Feder. Lautlos glitt der Spiegel zur Seite und gab den Blick auf eine Kammer frei, in der sie leuchtende Gestalten erwarteten. Obilee reckte neugierig den Hals. Dort war sie noch nie gewesen.
    Emerelle trat durch die schmale Tür. »Willkommen in meinem Allerheiligsten.« Sie drehte sich um und lächelte kokett. »Außer einer stummen Kobolddienerin weiß niemand um diese Kammer. Nicht einmal Meister Alvias. Hierher komme ich, wenn ich vor den Bildern der Silberschale und den Qualen der Herrscherin fliehen möchte. Hier suche ich die junge Emerelle, die sich einst stundenlang an schönen Kleidern begeistern konnte. Jenes verliebte Mädchen, das zu einer einsamen Königin wurde. Doch nicht heute. Heute kehrt das Glück vielleicht zurück.«
    Jetzt konnte Obilee besser in die Kammer blicken. Was sie für leuchtende Gestalten gehalten hatte, waren aus Weidenruten gefertigte Kleiderständer. Wie Lampenschirme waren Kleider darauf gespannt. Viele Kleider! Unter einigen brannten Lichter, die berauschenden Weihrauchduft verströmten.
    »Wirst du Ollowain sagen, was einst

Weitere Kostenlose Bücher