Elfenlicht
zwischen euch war?«
Die Königin schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. »Natürlich nicht.« Sie strich gedankenverloren über den Ärmel eines grünen Kleides aus schwerem Samt. »Ich möchte nicht, dass er es wie eine Verpflichtung aus der Vergangenheit sieht. Nenn es eine alberne Schwärmerei, aber ich sehne mich danach, dass er sich noch einmal in mich verliebt. Vielleicht wird heute der Tag sein, den ich so lange herbeisehne. Komm, hilf mir, die Haken an meinem Kleid zu öffnen. Vieles hängt nun von der richtigen Wahl ab.« Sie drehte Obilee den Rücken zu.
Die fahrende Ritterin öffnete die kleinen Haken und achtete darauf, dass sich Emerelles Haare nicht darin verfingen, als sie ihr das Kleid über den Kopf streifte. Verlegen wandte sie sich ab. Die Königin trug nur noch einen fein bestickten Leinengürtel, von dem die Bänder herabhingen, die ihre langen Seidenstrümpfe hielten. Ihre Füße steckten in zierlichen, lichtgrauen Schuhen.
»Welches Kleid soll ich nur nehmen? Er trägt gewiss weiß. Sollte ich auch weiß ... Nein, das wäre langweilig. Eine große Hilfe bist du nicht, Obilee.«
»Herrin, ich möchte dir nicht zu nahe treten ... Aber hast du bedacht, dass du nicht mehr die bist, in die sich einst Ollowains Seele verliebte?«
»Natürlich nicht. Ich bin gewachsen, so wie ein Baum.« Sie wandte sich der fahrenden Ritterin zu. »Hier«, sie legte sich die Hand auf die nackte Brust. »Hier ist noch all das, was er einst liebenswert an mir fand. All das ...« Ihre Lippen begannen zu zittern. »Ich ... Ich weiß, dass ich mich verändert habe. Verändern musste ... Ich ... Glaubst du, er erkennt mich nicht wieder, weil ich die Königin bin? Hat diese Bürde für immer eine Mauer zwischen uns errichtet? Ich kann die Krone nicht ablegen ... Nicht in diesen Tagen! Das wäre Verrat an Albenmark. Glaub mir, ich würde es gerne tun. Weißt du, dass ich dich beneide? Dich und deine Freiheit, als fahrende Ritterin durch die Wälder zu streifen. Und die Freiheit, nur dir selbst Rechenschaft schuldig zu sein. Ich hingegen werde zwischen meinen Pflichten aufgerieben ... Rate mir. Was soll ich tun, Obilee? Muss ich mein Glück auf dem Altar Albenmarks opfern?«
Obilee wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Bisher hatte sie immer geglaubt, es erfülle Emerelle, die Geschicke Albenmarks zu lenken. Wie eine Gefangene der Krone war sie ihr jedenfalls nie erschienen. »Vielleicht solltest du die Burg einmal verlassen. Die drückenden Schatten hier töten die Freude, ja, sie erlauben kaum ein Lächeln, das von Herzen kommt.«
»Ach, Kind! Wie soll ich denn gehen? Unten im Saal der fallenden Wasser liegt das Tor, durch das die Schatten kommen. Ich muss in seiner Nähe bleiben. Noch sind es nur einzelne Yingiz, die hierher gelangen. Aber wann wird der Damm brechen? Wann ergießen sie sich wie eine Woge aus Finsternis über das Land? Ich war es, die einen Faden im Netz der Albenpfade zerrissen hat. Ich muss hier bleiben. Das ist mein Schicksal.«
»Du sagtest, etwas von der jungen Emerelle sei immer noch in dir lebendig, Herrin. Verborgen unter den Jahresringen von Jahrhunderten, um in deinem Bild des Baumes zu bleiben. Vielleicht gibt es doch einen Weg, dich Ollowain zu erkennen zu geben. Ohne Worte.«
Die Königin ließ resigniert den Kopf sinken. »Er hat keine Erinnerung an damals. So ist es, wenn du wiedergeboren wirst. Du kehrst als ein unbeschriebenes Blatt zurück. Frei von den Lasten der Vergangenheit.«
»Aber du sagst, du kannst seine Rückkehr mit deinem Herzen fühlen. Es scheint ein unsichtbares Band zwischen euch zu geben. Glaubst du nicht, in ihm schlummert auch etwas? Etwas, das jenseits der Erinnerung seines Verstandes liegt? Vielleicht kann sich ja auch ein Herz erinnern?«
Emerelle seufzte. »Du bist ja eine Dichterin, Obilee. Die Erinnerung des Herzens ... Woran sollte sich ein Herz erinnern?«
Die Kriegerin zuckte hilflos mit den Schultern. »An deinen Duft? An deine Kleidung, den Tonfall deiner Stimme? Was habt ihr gegessen? Gab es ein Gericht, das er besonders mochte?«
»Sind wir jetzt bei der Erinnerung des Magens?«
»Herrin!« Da war sie wieder, die kalte, spöttische Emerelle. Gewiss war sie es, die es Ollowain unmöglich machte, seine frühere Liebe wiederzuerkennen.
Emerelle strich sich mit der Hand durch das lange Haar. »Verzeih mir.« Sie sagte das so leise, dass Obilee sie fast nicht verstehen konnte. »Du hast einen wunden Punkt berührt. Ich kann die wunderbarsten
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