Elfenlicht
nicht. Misht kannte ihren Hauptmann schon lange. Wenn er eine seiner Affären laufen hatte, war er immer ganz aufgekratzt. Aber diesmal war er irgendwie anders. Wie ausgewechselt. Offenbar hatte er sich tatsächlich verliebt. Aber warum, bei den Alben, musste es ausgerechnet eine verheiratete Frau sein! Und dann noch das Weib eines Elfenfürsten! Wolkentaucher hatte ihm verraten, wo Melvyn sich herumgetrieben hatte. Auch der Adler machte sich Sorgen um ihren Anführer. Er war es gewesen, der Misht und Nossew darum gebeten hatte, Melvyn den Rücken freizuhalten. Und Nossew, der kaum einmal ein Wort über die Lippen brachte, hatte natürlich zugestimmt.
Die gewölbten Dachschindeln drückten Misht gegen die Rippen. Mit den Füßen stützte er sich gegen einen gemauerten Kamin und beobachtete den Balkon, der zwanzig Schritt entfernt lag. Wie Banner wehten die safranfarbenen Vorhänge in der offenen Tür. Sie strahlten hell im Mondlicht und schienen ihm zuzuwinken.
Große Klasse, dachte er säuerlich. Melvyn wälzt sich da drüben in Seidenlaken, und ich liege mir hier die Rippen wund.
Misht rückte ein wenig zur Seite und versuchte eine bequemere Stellung zu finden. Aber es war unmöglich, es sich auf diesen verfluchten gewölbten Dachschindeln gemütlich zu machen!
Nossew schob sich neben ihn, spuckte den Harzklumpen, auf dem er herumgekaut hatte, in seine Hand und klebte ihn auf eine Dachschindel. Dann zog er sein Fähnchen heraus. Er benutzte es immer, wenn es darum ging, einen guten Schuss zu landen. Es war ein schmaler Seidenstreifen, nicht einmal einen Finger lang, den er an einen Zahnstocher geklebt hatte. Vor jedem Schuss warf er einen Blick auf sein Fähnchen, um Windrichtung und Geschwindigkeit abzuschätzen. Völliger Unsinn, wie Misht fand! Armbrustbolzen waren viel weniger anfällig für den Wind als der Pfeil eines Bogens. Aber Nossew bestand auf diesem Ritual. Und eines musste man ihm lassen: Er schoss beängstigend gut.
Aus irgendeiner Tasche holte sein Gefährte ein neues Harzklümpchen hervor und begann schmatzend darauf herumzukauen. Zwar war nicht zu befürchten, dass man sie hören könnte, unten am Wehr lärmten schließlich die Hämmer der Schmiede, aber das Geräusch ging ihm auf die Nerven.
Misht trommelte nervös mit den Fingern auf einer Dachschindel. Fürst Shandral nahm an der Besprechung der Feldherren draußen vor der Stadt teil. Er würde gewiss nicht so schnell zurückkehren. Selbst dann nicht, wenn er bemerkte, dass Melvyn dort fehlte, und ahnte, was das bedeutete. Würde Shandral jetzt Elodrins Zelt verlassen, dann würden auch die anderen ahnen, worum es ging. Melvyn hatte bedauerlicherweise einen gewissen Ruf. So lange Shandral blieb, hatte jeder der Heerführer und Fürsten Grund, sich Sorgen zu machen.
Misht fluchte leise vor sich hin. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Melvyn mit einem Pfeil im Rücken in einem der Kanäle landete. Oder, nein ... es waren ja Elfen. Die würden es wohl subtiler machen. Ihn in einer dunklen Gasse überwältigen, ihn zwingen, einen Krug Branntwein zu trinken, und ihn dann im Kanal ertränken. Diese verfluchten Elfenbastarde würden anschließend gewiss auch alle zu Melvyns Begräbnis kommen. Misht mochte den Wolfself, wie viele der Fürsten und Edlen seinen Hauptmann spöttisch nannten. Mit dem übrigen Elfengeschmeiß konnte er nicht viel anfangen. Wenn Melvyn nicht wäre, hätte er sich längst auf Seiten der Rotmützen geschlagen. Von den Mauslingen im Herzland bis zu den Holden in den fernen Mangroven am Waldmeer gab es kaum einen Kobold, der nicht von den Rotmützen wusste. Misht hatte sich einige der Schriften von Elija Glops vorlesen lassen. Und der Kerl hatte Recht! Er war kein Aufrührer, wie die Elfen behaupteten, Elija war ein Held!
Misht verlagerte sein Gewicht ein wenig in der Hoffnung, vielleicht doch noch eine bequeme Stellung zu finden, in der man auf diesem verfluchten Dach liegen konnte.
Der Lärm der Schmiedehämmer am Wehr war ohrenbetäubend. Dass die nicht einmal in der Nacht Ruhe gaben! Vermutlich würde man es nicht einmal hören, wenn sie einen Dachziegel lostraten und der unter ihnen auf dem Straßenpflaster zerschellte.
Mishts Blick wanderte über die umliegenden Dächer. Sämtliche Fensterläden waren verschlossen. Und das bei dieser Hitze. Soweit sie die Gassen von hier oben einsehen konnten, war alles wie ausgestorben. Der Geruch von glühendem Metall hing in der Luft. Er sah hinüber zu der Schmiede, die auf
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