Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
ein eisiger Unterton, der den Getreuen schaudern ließ.
»Nun«, fuhr sie fort, »im Grunde gefällt es mir ja, dass du nicht vor mir kuschst. Es kann wirklich ermüdend sein, wenn jeder, der einem über den Weg läuft, vor Angst erzittert.«
Der Getreue nickte bestätigend. Manchmal war es ihm unheimlich, wie ähnlich sie empfanden, die Dunkle Königin und er.
»Also?«, fragte sie. »Worum geht es? Um was für Dinge musst du dich kümmern?«
Er holte tief Luft, und ein Anflug von Übermut ließ ihn antworten. »Es besteht Grund zu der Annahme, dass Fanmór versucht, einen Spion bei uns einzuschleusen. Ich muss das verhindern.«
»Fanmór und ein Spion? Oh ja, das würde zu ihm passen!« Übergangslos verwandelte sich das Funkeln in Bandorchus Augen. Obwohl ihre Züge weiterhin ebenmäßig und bildschön aussahen, wirkte sie auf einmal wie ein gefährliches Tier. Eine Raubkatze, die im Dunkeln lauerte und im nächsten Moment hervorspringen konnte, um ihm das Herz aus dem Leib zu reißen.
Nicht, dass es ihn kümmern würde. Was auch immer sie mit ihm tat, es war gut.
Trotz des gefährlichen Ausdrucks in ihrem Blick schnurrte sie wie eine Katze. »Wie gut, dass du aufmerksam bist, mein Liebhaber! Ein Spion in unserer Festung darf auf keinen Fall geduldet werden.« Seufzend strich sie ihm über Stirn und Nase. »Eine solche Aufgabe verlangt deine volle Aufmerksamkeit. Darum geh!«
Mit einem Gefühl des Bedauerns erhob sich der Getreue von ihrem gemeinsamen Lager. »Herrin!« Er verneigte sich knapp, dann verließ er Bandorchus Gemächer.
Draußen auf dem Gang musste er tief Luft holen, bevor er sich an die Arbeit machen konnte.
23. April 1064 n. Chr., Brocéliande
»Weißt du, dass ich langsam anfange, diesen Kerl zu hassen?«, knurrte David. Er schlug mit der Faust auf seinen Sattel, sodass sein Pferd erschrocken den Kopf hochriss. Abwesend tätschelte er dem Tier den Hals, um es wieder zu beruhigen, aber seine Gedanken waren ganz woanders.
»Du denkst nur noch an Nadja, oder?«, sagte ihm Rian auf den Kopf zu. Seit sie vor vier Tagen von dem Eichenwäldchen aus aufgebrochen waren, ritt sie an Davids Seite.
Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Nadja war immer in seinen Gedanken, jedenfalls fast. Ab und an fragte er sich auch, was aus Eleanor und Guy werden würde. Sie hatten sich von den Elfen verabschiedet, nachdem Eleanor endlich aufgehört hatte zu weinen.
Sie tat ihm leid, aber was hätte er ihr sagen sollen? Und vor allem: Wo war Nadja?
»Ich habe so viel Zeit verloren!« David drehte sich um und schoss einen finsteren Blick auf Merlin ab. Der Zauberer war trotz längeren Wartens nicht erwacht, und so hatten David und Rian schließlich begreifen müssen, dass sie ihn nur aus seinem Gefängnis befreit hatten. Der Bann, den Viviane über ihn gelegt hatte, war offenbar noch nicht vollständig gelöst worden. Sie hatten sich beraten und waren zu dem Entschluss gekommen, dass es das Beste sein würde, Merlin zurück in die Gegenwart und zu Viviane zu bringen.
Also hatten sie aus ein paar langen Ästen eine ziehbare Trage gebastelt, die sie an Davids Sattel befestigt hatten und auf der Merlin nun ruhte. Gemeinsam zogen sie seinen reglosen Körper quer durch den Wald Brocéliande in Richtung Dol. Sie kamen auf diese Art nur langsam voran, und jede Minute, die David den leblosen Zauberer hinter seinem Rücken wusste, und jeder Blick, den er in dessen ausdrucksloses Gesicht warf, ließen die Unruhe und Aggressivität in ihm nur noch größer werden.
»Ich sorge mich um ganz was anderes«, gestand Rian, und er zwang sich, ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken. »Meinst du, der Menhir bringt uns genauso einfach zurück in die Gegenwart, wie er uns hergebracht hat?«
David hatte sich diese Frage schon mehrfach gestellt, aber sie beunruhigte ihn so sehr, dass er sie jedes Mal von sich schob.
»Und werden wir bei der Rückkehr unsere magischen Fähigkeiten zurückerlangen?«, fügte Rian hinzu.
Auch darauf wusste David keine Antwort, also ritten sie einfach weiter schweigend nebeneinanderher.
Am selben Nachmittag erreichten sie Dol. Der Anblick der Stadt verblüffte sie, denn erneut lagerte ein Heer vor ihren Toren. Die zerstörte Stadtbefestigung war notdürftig repariert worden, und über den Dächern wehte mittlerweile das Banner des Herzogs der Bretagne.
»Wilhelm«, erkannte David. »Er belagert nun seinerseits Conan. Und was jetzt?«
Das Heer des Herzogs der Normandie war um einiges größer
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