Endithors Tochter
»Ich habe keine andere Wahl. Wenn ich Areel töten, wenn ich ihren Kopf zu Nalor bringen kann, wird Nalor mir verzeihen und ich habe wieder meine Ruhe.«
»Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Nalor Vergangenes vergessen sein lässt. Aber …« Die Hyrkanierin zuckte die Schulter. »Was Areel betrifft – habt ihr zwei einen Plan?«
»Ja.« Sendes blickte Sonja fragend an.
»Ich werde mich nicht einmischen«, versicherte sie ihm. »Aber wenn du meine Hilfe brauchst, kannst du auf mich zählen – und du brauchst dir keine Gedanken wegen der Bezahlung zu machen.«
»Es ist eine Sache zwischen Areel und mir«, brummte Sendes. »Ich habe es genau geplant. Da, Lera.« Er holte ein Stück Pergament unter der Rüstung hervor und händigte es Lera aus.
Lera betrachtete es. Es war eine Zeichnung und ein paar scheinbar hastig gekritzelte Zeilen mit Nalors Unterschrift. »Das kann nicht echt sein«, sagte sie zu Sendes. »Wie bist du daran gekommen?«
Er lächelte düster. »Es ist von mir.«
»Und was beabsichtigst du damit?«
»Na lies doch! Es ist eine Botschaft von Nalor an Kus, in der er seinen Plan für Areels Tod darlegt, und dass sie danach in dem Hain verscharrt werden soll, in dem wir uns trafen. Kus soll sich ihrer bemächtigen und sie zu dem Hain schaffen. Dort werden die beiden sie den Göttern der Finsternis opfern.«
Lera schüttelte langsam den Kopf. »Sie würden nie …«
»Vielleicht doch. Jedenfalls kennt Areel sie nicht gut genug, um zu wissen, wozu sie imstande sind, vor allem nicht so weit im Spiel – wie Sonja es nennt.«
»Und was soll ich damit tun?« fragte Lera.
»Zeig es Areel. Sag ihr, du hast es gefunden, nachdem Kus gestern einbrach. Lass es sie lesen. Der angegebene Zeitpunkt ist heute. Der scheinbare Widerspruch im Datum wird sie überzeugen, und sie wird annehmen, dass Kus heute Nacht wiederkommen wird. Wie ich sie kenne, wird sie um Mitternacht zum Hain schleichen, in der Annahme, Nalor dort allein vorzufinden und ihn töten zu können. Dann wird sie auf Kus warten, um auch mit ihm ein Ende zu machen. Aber weder Nalor noch Kus werden dort sein – nur ich mit dem Schwert, das ihr das Leben nehmen wird.«
Eine Weile herrschte Schweigen, ehe Sonja schließlich fragte: »Und du glaubst, es wird alles so glatt gehen, wie du es geplant hast?«
»Es wird alles so kommen, wie ich es gesagt habe!« erwiderte Sendes heftig. »Ich kenne Areel! Ich weiß, wie schnell sie handelt, und sie ist so von sich überzeugt, dass sie sich einbildet, alles geht nach ihrem Kopf. Alles wird wie geplant verlaufen!«
Sonja unterdrückte eine Bemerkung, rutschte auf ihrem Stuhl vor und spürte den Talisman in ihrem Gürtelbeutel. Sie hätte ihn erwähnt, aber nicht hergezeigt. Sendes hatte auch nicht gebeten ihn sehen zu dürfen, und jetzt – völlig mit seinem Plan beschäftigt – dachte er auch nicht daran, dass er ihm vielleicht von Nutzen sein könnte.
Sie stand auf, streckte sich und machte sich daran zu gehen.
Sendes blickte hoch. »Vergiss nicht, dass du versprochen hast, dich nicht einzumischen, Sonja.«
»Warum sollte ich mich einmischen wollen, Sendes? Um dir den Kopf zu retten? Ich mache mir nur Sorgen, weil Nalor und Kus immer noch Unheil stiften können, selbst wenn es dir gelingt, Areel zu töten. Nein – nein – ich werde mich nicht einmischen. Ich hoffe nur, du bist mit dem Schwert so flink wie mit deinen Überlegungen.«
Den Rest des Tages verbrachte Sonja damit, sich nach einer Stellung umzusehen, die lästigen Gedanken zu vertreiben und sich immer wieder zu sagen, dass sie zwar durch Zufall in die Sache verwickelt worden, aber jetzt heraus war.
Am Spätnachmittag fand sie eine Anstellung als Wächter für die Karawane eines Edlen, der eine Einkaufsreise westwärts durch Corinthien, Ophir und Nemedien plante. Die Karawane würde in einer Woche aufbrechen und in etwa zwei Monaten zurückkehren. Der Edle suchte sowohl Leibwächter als auch Karawanenbegleitschutz, und sein zuständiger Offizier versprach Sonja gleichen Sold wie den männlichen Wächtern für gleiche Dienstleistung. Mit Tinte unterschrieb sie den Vertrag und nickte dem Offizier noch zu, als sie auf die Straße zurückkehrte.
Sie. aß in einer kleinen Schenke, trank zwei Krüge Bier und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, während sie zusah, wie dumm die Männer sich benahmen, um die Aufmerksamkeit der Tänzerinnen auf der kleinen Bühne in einer Ecke auf sich zu lenken. Auf dem Heimweg im Regen
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