Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

erkannte sie in dem Moment, wo sie sich darauf setzte, rief die Datei in dem primitiven Silikoncomputer auf, an der sie gearbeitet hatte, kommunizierte mit einem anderen Chip in der Kaffeemaschine, um frischen Kaffee zu machen, ermächtigte das Telekommunikationsnetz, Anrufe und Faxe und primitive elektronische Posteingänge anzunehmen, sodass die Bürokraft nicht gestört werden würde, klinkte sich in den Hauptcomputer von Haus oder Büro ein, damit die Raumtemperatur immer optimal war, und so weiter. In den Geschäften registrierten Mikrochips in den Bohnendosen ihren eigenen Preis und Preisänderungen, bestellten sich selbst nach, wenn sie knapp wurden, machten Aufzeichnungen über Kaufgepflogenheiten der Konsumenten und interagierten mit dem Geschäft und anderen Einrichtungen darin. Dieses Netz der Interaktion wurde so komplex und geschäftig wie Bläschen und Schaum des organischen Eintopfs in den frühen Meeren der Erde.
    Vierzig Jahre nach Tom Rays 80-Byte-A-Zelle waren die Menschen daran gewöhnt, mit den zahllosen interaktiven künstlichen Lebensformen in ihren Autos, Büros und Fahrstühlen zu sprechen und sonst wie zu interagieren... sogar in ihren Körpern, da medizinische Monitore und Proto-Schalter der wahren Nanotechnologie entgegengingen.
    Etwa in dieser Phase entstand der TechnoCore als autonomes Wesen. Die Menschheit hatte begriffen – ganz richtig, wie sich herausstellen sollte –, dass künstliches Leben und künstliche Intelligenz, wenn sie effektiv sein sollten, autonom sein mussten. Sie mussten sich entwickeln und diversifizieren wie das organische Leben auf dem Planeten. Und so geschah es. So wie die Biosphäre, die den Planeten umgab, hüllte das Hyperlife die Welt nun in eine lebende Datensphäre. Der Core entwickelte sich nicht nur als eine abstrakte Einheit im Informationsstrom der Netzdatensphäre, sondern in den Interaktionen von einer Milliarde winziger, autonomer, chipgesteuerter Mikromaschinen, die ihre banalen Aufgaben in der Makrowelt der Menschen erledigten. Die Menschheit und der im Entstehen begriffene Core mit seinen Milliarden Facetten entwickelten bald eine Symbiose wie Akazienpflanzen und die marodierenden Ameisen, die die Akazie als ihre einzige Nahrungsquelle beschützen, hegen und pflegen. Das nennt man Koevolution, und die Menschen begreifen dieses Prinzip auf einer wahrhaft zellularen Ebene, da so viel organisches Leben auf der Alten Erde durch den reziproken koevolutionären Tanz geschaffen und optimiert worden war. Aber wo die Menschen eine bequeme Symbiose sahen, da sahen die frühen KI-Wesenheiten nur neue Möglichkeiten des Parasitentums – sie waren dazu fähig.
    Computer konnte man abschalten, Softwareprogramme löschen, aber der kollektive Geist des Proto-Core war bereits in die entstehende Datensphäre entwichen, und die konnte nur durch eine planetenumspannende Katastrophe abgeschaltet werden.
    Der Core lieferte diese Katastrophe schließlich mit dem Großen Fehler von ‘08, aber erst nachdem er sein eigenes Medium erweitert und sich über den bloßen planetaren Maßstab hinausentwickelt hatte.
    Frühe Experimente mit dem Hawking-Antrieb, die nur von den hoch entwickelten Elementen des Core durchgeführt und verstanden werden konnten, hatten die Existenz der grundlegenden Planck-Raum-Realität der Bindenden Leere bewiesen. Zeitgenössische Core-KIs – auf DNA-Basis, in der Struktur von Wellenfronten, von genetischen Algorithmen betrieben und parallel in ihrer Funktion – beendeten die Konstruktion der frühen Schiffe mit Hawking-Antrieb und begannen damit, das Farcasternetz zu entwerfen.
    Die Menschen betrachteten den Hawking-Antrieb stets als Abkürzung durch Raum und Zeit – die Verwirklichung der alten Träume vom Hyperantrieb. Sie stellten sich die Farcasterportale als bequeme, in die Raum/Zeit gebohrte Löcher vor. Das war ein Vorurteil der Menschen, das aus ihren eigenen mathematischen Modellen entstanden war und von den leistungsstärksten KIs des Core bestätigt wurde. Es war alles eine Lüge.
    Der Planck-Raum, die Bindende Leere, ist ein mehrdimensionales Medium mit seiner eigenen Realität und, wie der Core bald erfahren sollte – seiner eigenen Topographie. Der Hawking-Antrieb war und ist gar kein Antrieb im klassischen Sinne, sondern eine Zugangseinrichtung, die die Topographie des Planck-Raums gerade lange genug streift, um die Koordinaten im vierdimensionalen Raum/Zeit-Kontinuum zu ändern. Farcasterportale hingegen ermöglichen,