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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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lotrechten Felswand, hohen Laufstegen aus Holz am nordwestlichen Grat des Hua Shan, des Berges der Blumen, entlang und aus einer langen Reihe von Plattformen und Hängebrücken, die die eisigen Grate mit dem K’un Lun verbinden. Dann folgt die zweitlängste Hängebrücke des Planeten, die das K’un-Lun-Massiv mit dem Phari-Massiv verbindet, gefolgt von einer weiteren Reihe von Laufwegen, Brücken und Simsen, die an der Wand des Phari-Massivs entlang bis zum Marktplatz von Phari führen. Dort überqueren wir die Schlucht und folgen der Simsstraße fast genau nach Westen bis Potala.
    Normalerweise ist es ein Fußmarsch von sechs Stunden bei Sonnenschein, aber an diesem Nachmittag ist es ein ermüdendes, gefährliches Stapfen durch Nebelschwaden und Graupelschauer. Die Helfer, die mit Bürgermeister/Zeremonienmeister Charles Chi-kyap Kempo und Abt Kempo Ngha Wang Tashi reisen, bemühen sich, ihre Würdenträger unter hellroten und gelben Schirmen zu schützen, aber der eisglatte Sims ist häufig zu schmal, und so werden die Würdenträger häufiger nass, wenn wir in einer Reihe gehen müssen. Die Hängebrücken zu überqueren ist ein Albtraum – der »Boden« einer jeden besteht nur aus einem einzigen, dick geflochtenen Hanftau mit Hanfseilen, die vertikal in die Höhe führen, horizontalen Seilen als Geländern und einem zweiten dicken Kabel über dem Kopf – und obwohl es für gewöhnlich ein Kinderspiel ist, auf dem unteren Kabel zu balancieren und sich an den seitlichen Seilen festzuhalten, erfordert es bei diesem prasselnden Regen vollste Konzentration. Aber alle Einheimischen haben das schon in Dutzenden Monsunen erlebt und bewegen sich behände; nur Aenea und ich zögern, wenn sich die Brücke unter dem Gewicht der Gruppe spannt und schwankt und uns die vereisten Seile aus den Händen zu rutschen drohen.
    Trotz des Sturms – oder vielleicht gerade deshalb – hat jemand die Fackeln am Hochweg an der Ostwand des Phari-Massivs angezündet, und die Kohlebecken, die durch den dichten Nebel leuchten, helfen uns, den Weg zu finden, wenn die Holzlaufstege eine Biegung machen, steigen, über vereiste Treppen hinabführen und in weitere Brücken münden. Wir treffen bei Einbruch der Dämmerung auf dem Marktplatz von Phari ein, aber aufgrund der dunklen Wolken scheint es viel später zu sein. Andere Gruppen auf dem Weg zum Winterpalast gesellen sich zu uns; mindestens siebzig Leute reisen über die Schlucht hinaus nach Westen weiter. Die Sänfte der Dorje Phamo folgt uns immer noch schwankend, und ich vermute, dass außer mir noch andere ein wenig neidisch auf ihren trockenen Sitzplatz darin sind.
    Ich gestehe, ich bin enttäuscht: Wir hatten vorgehabt, zur Dämmerstunde in Potala einzutreffen, wenn das Alpenglühen die nord-südlichen Grate und höheren Gipfel nördlich und westlich des Palastes beleuchtet. Ich habe den Palast noch nie vorher gesehen und hatte mich darauf gefreut, diese Region kennen zu lernen. Nun ist der breite Hochweg zwischen Phari und Potala nichts weiter als eine Reihe mit Fackeln beleuchteter Simse und Laufstege.
    Ich habe die Lasertaschenlampe in meinem Rucksack mitgebracht, bin aber nicht sicher, ob es eine vergebliche Geste der Verteidigungsbereitschaft war, falls das Treffen im Palast einen schlimmen Verlauf nehmen sollte, oder ob es mir darum ging, im Dunkeln einen Weg zu finden. Eis überzieht die Felsen, die Plattformen, die Hanfseilgeländer entlang dieses am häufigsten benutzten aller Laufwege und die Treppen. Ich kann mir nicht vorstellen, in dieser Nacht über den Kabelweg zu reisen, aber Gerüchte besagen, dass einige der abenteuerlustigeren Gäste genau diese Route nehmen.
    Wir treffen zwei Stunden vor dem geplanten Beginn des Empfangs in der verbotenen Stadt ein. Die Wolken haben sich ein wenig gelichtet, der Regen lässt nach, und mein erster Blick auf den Winterpalast ist so atemberaubend, dass ich meine Enttäuschung, nicht in der Dämmerung angekommen zu sein, darüber vergesse.
    Der Winterpalast ist auf einem hohen Gipfel erbaut, der über dem Gebirgskamm Gelber Hut aufragt; dahinter liegen die noch höheren Spitzen des Koko Nor, und als die Wolken aufreißen, sehen wir als Erstes Drepung, das umliegende Kloster, in dem fünfunddreißigtausend Mönche untergebracht sind, Ebene für Ebene hoher Gebäude aus Stein an den vertikalen Hängen, in deren Tausenden von Fenstern das Licht von Lampions leuchtet, auf deren Balkonen und Terrassen und an deren Eingangstüren Fackeln

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