Engelspakt: Thriller (German Edition)
schweigen von den kostbaren Teppichen auf edlem Parkett, den Gemälden und Zeichnungen und der riesigen, mit einem Schwert bewaffneten Engelsskulptur, die so lebensecht aussah, als hätte man Fleisch und Blut direkt in Stein gegossen. Ähnliche Skulpturen standen in deutlich kleinerem Format auch in Cibans Arbeitszimmer im Inquisitionspalast. Sie waren Catherine gleich beim Hereinkommen aufgefallen, als sie sein Büro im letzten Jahr das erste Mal betreten hatte.
Rinaldo starrte und staunte ebenso.
Vermutlich stammten die Gemälde und die Skulptur aus der Ciban’schen Familienvilla. Eines der Bilder faszinierte Catherine ganz besonders: eine Druckgrafik, die sie vom Stil her an einen Künstler aus dem fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhundert erinnerte. Im Vordergrund war ein Engel abgebildet, der einen Schlüssel in der Rechten und eine schwere Kette in der Linken hielt. Im Hintergrund war zusammen mit einem Menschen ein weiterer Engel zu sehen, der auf eine nahe Stadt deutete.
»›Und er zeigte mir den Strom des Wassers des Lebens, klar wie ein Kristall, der am Thron Gottes und des Lammes entspringt‹«, zitierte Giada, die neben Catherine getreten war. »Die Offenbarung des Johannes 22,1. ›Der Engel mit dem Schlüssel zum Abgrund‹, so lautet der Titel der Grafik. Satan wird in dem Abgrund gefangen gehalten, und Johannes sieht das himmlische Jerusalem. Dieses Meisterwerk machte Albrecht Dürer 1498 nahezu über Nacht in ganz Europa berühmt. Sie finden es auch in Dürers Buch Apocalipsis cum figuris , Die heimliche Offenbarung des Johannes .«
»Ein … Original?«, fragte Catherine beeindruckt.
Giada schüttelte den Kopf. »Oh nein. Das hier ist nur eine erstklassige Kopie. Das Original hängt in der Kunsthalle zu Kiel.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »Coelho sollte jeden Moment eintreffen. Ich werde dem Pförtner Bescheid sagen, damit es keine Probleme gibt.« Sie griff zum Telefon und erteilte dem Pförtner die Anweisung, den Inspektor durchzulassen.
Unterdessen telefonierte Catherine noch einmal kurz mit Rebekah, die nach wie vor an der Entschlüsselung arbeitete, aber mit der Botschaft noch keinen Schritt weitergekommen war.
»Na, dann wollen wir mal anfangen«, sagte Giada und trat mit ihren Begleitern in das eindrucksvolle Wohnzimmer.
Catherine nahm den geschmackvollen Stilmix aus antiken und modernen Möbeln anerkennend zur Kenntnis. Die edle schwarze Ledergarnitur, die nahezu schlicht wirkte, kostete vermutlich allein zigmal mehr als Catherines komplette Wohnungseinrichtung. Darüber hinaus fragte sie sich, wo um alles in der Welt sie in den vielen Zimmern anfangen sollten zu suchen, zumal noch nicht einmal klar war, wonach sie überhaupt Ausschau hielten. Vielleicht erkannten sie das Objekt ihrer Suche auch erst dann, wenn sie praktisch darüber fielen.
Am ehesten kam wohl Cibans privates Arbeitszimmer für die Nachforschungen in Frage. Catherine war sich sicher, dass ein solch großes Appartement auch ein Arbeitszimmer beherbergte. Manchmal bewahrten Menschen wichtige Unterlagen aber auch in ihrem Schlafzimmer auf, unter der Matratze, zwischen der Bettwäsche oder in geheimen Safes hinter Bildern. Nun ja, Safes konnten hier überall sein, selbst im Bad, Catherine bezweifelte jedoch, dass Ciban irgendwelche Dinge zwischen seinen Hemden, Socken oder der Unterwäsche aufbewahrte.
Unterwäsche? Prompt errötete sie. So gut es ging, schob sie den Gedanken beiseite, holte Cibans Nachricht hervor, faltete die beiden von Rebekah zusammengeklebten Briefhälften auseinander und legte sie auf den Tisch mit der schweren schwarzen Granitplatte.
Forsch sagte sie: »Lassen Sie uns noch mal einen Blick darauf werfen!«
Rinaldo und Giada setzten sich augenblicklich rechts und links neben sie und beugten sich wie zwei strebsame Schüler nach vorn.
Es gibt einen Ort, den selbst die Engel fürchten.
Dieser Ort ist schrecklich.
Kein Licht fällt dorthin.
Nie hat ein Gedanke diesen Ort berührt.
Selbst das Feuer ist schwarz.
Es ist der letzte Ort,
den der Herr am sechsten Tag
am Ende der letzten Stunde erschuf.
Dieser Ort ist verdammt,
sein Gestank unerträglich.
Was immer dort
hinter den letzten Toren
verborgen ist,
soll dort auf ewig gefangen sein
und dort auf ewig sterben.
(Die verborgenen Mysterien:
Wenn du Frieden willst,
rüste zum Krieg!
41, 53, 55, 12, 28, 23)
Catherine fühlte sich nach dem Lesen genauso schlau wie beim ersten, zweiten und dritten Mal. Wo sollte es in dieser
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