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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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daß es schon jemals so war«, sagte sie. »Früher hatten wir’s ständig eilig.«
    »Ja.«
    Die Unterhaltung versickerte. Ihnen war schon vor Tagen der Gesprächsstoff ausgegangen. Maxim schnurrte weiter.
    Ubu schlug die Augen auf. »Ich sollte mich hinhauen.«
    Sie sah ihn an. »Willst du Gesellschaft haben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.« Er drehte sich zu ihr um und sah ein besorgtes Stirnrunzeln auf ihrem Gesicht. Er küßte sie. »Ich … muß mal ‘ne Weile allein sein.«
    »Ja. Wenn du meinst.« Sie strich ihm mit der Wange über die nackte Schulter. Er gab ihr noch einen Kuß und ging.
    Ubu ließ sich in seine Koje fallen, schaltete das Licht aus und starrte hoffnungslos an die Decke. Ein langer, vager Schmerz wand sich in seinem Inneren, wurde stechender und verwandelte sich in Verzweiflung.
    Die schöne Maria war zu ihm gekommen, weil sie einsam war, das wußte er. Jetzt trieb ihn seine eigene unerträgliche Einsamkeit weg von ihr. Er hatte sich gewünscht, in ihren Armen als eigenständiges Wesen ausgelöscht zu werden, seine unablässige Bürde intensiver Selbstwahrnehmung, sein ständig waches Bewußtsein und sein unerträgliches Gedächtnis loszuwerden, das schwer auf ihm lastete; was er statt dessen bekam, war nur eine Auffrischung alter Erinnerungen und alter Qualen, die allesamt von neuen Eindrücken überlagert, bekräftigt und verstärkt wurden … von der Art, wie bei der beiläufigsten Zärtlichkeit die Hitze in Marias Haut stieg, wie ihre Haare kitzelnd über seinen Bauch strichen, von dem perlenden Lachen, das in seinem Geist zu hin und her schießenden Drachen in leuchtenden Blau- und Rottönen wurde, deren mit Bändern geschmückte Schwänze vor dem getüpfelten Nachthimmel eines massigen, rotierenden Wohnsatelliten tanzten … eine Intensivierung und Bestätigung seiner eigenen Wahrnehmungen, des Wissens um seine absolute Isolierung.
    Er mußte dem ein Ende machen.
    »Ich glaube, ich hab’s hingekriegt.« In der Dunkelheit war Pascos Stimme sehr laut. Sein Bild, das gleich nach dieser Ankündigung mitten in der Luft erschien, war gestochen scharf und blendend hell.
    »Verschwinde«, sagte Ubu. Ein weiterer Augenblick des Kummers, dachte er, den er nie vergessen würde.
    Pasco war jung, fit und freundlich. Seine Augen funkelten frohlockend. »Morgen früh in der ersten Schicht setze ich meinen Abdruck unter einen Vertrag«, sagte er. »Wir werden auf regelmäßiger Basis Frachtgut der Pan-Development-Kompagnie auf Trincheras zum neuen Bergwerksunternehmen bei Maskerade befördern.« Ubu beschattete seine Augen und sah das gleißende Bild seines Vaters überrascht an. Regenbogenfarbene Interferenzwellen liefen durch Pascos Körper und stachen Ubu in die Augen. Das Bild lachte auf. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil die Konsolidierung demnächst in Kraft tritt. Aber jetzt werden wir einen langfristigen Vertrag haben. Über Jahre. Und haufenweise Geld.« Er lachte erneut. »Sieht so aus, als wären wir alle Sorgen los.«
    Die Aufzeichnung mußte vor Jahren gemacht worden sein, als Ubu noch klein gewesen war. Er hatte noch nie etwas von einem Geschäft mit PDK gehört, nicht einmal von einem ins Wasser gefallenen. Ubu forschte in Pascos Bild nach einem Zeichen dafür, was schiefgegangen war. Er fragte sich, ob das alles eine Wahnidee von Pasco gewesen war, etwas, das er mißverstanden, falsch interpretiert oder einfach frei erfunden hatte.
    »Das muß gefeiert werden«, sagte Pasco. Er wühlte in einer Tasche nach einem Zerstäuber und sprühte sich eine Dosis in jedes Nasenloch. »Ich gehe ins Rostow-Restaurant und mach mit meinen Freunden einen drauf.« Er grinste, schniefte und rieb sich die Nase mit einem Knöchel. »Alle Sorgen los«, wiederholte er und streckte die Hand aus dem Hologramm heraus, um sich selbst abzuschalten.
    Pascos Laser-Nachbild zeichnete sich in der plötzlichen, samtigen Dunkelheit ab. Ubu blinzelte, was nur dazu führte, daß sich das Bild vervielfältigte. Was zum Teufel hatte das alles zu bedeuten?
    Er ließ sich auf sein Kissen zurücksinken und spürte, wie sich Pascos Bild in seinen Geist einbrannte, während es vor seinen Augen verblaßte. Traurigkeit durchflutete ihn. Tränen stiegen ihm in die Augen. Wieder eine von Pascos Gelegenheiten, aus denen nichts geworden war, ein weiteres düsteres Gespenst, das in den summenden Korridoren der Runaway spukte und letztlich zum schwerelosen Hilfskontrollraum im Zentrum des Schiffes führte, zu dem

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