Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
Vom Netzwerk:
Spinner mit einer Schwäche für Türen; es hatte möglicherweise nichts mit ihr zu tun. Also zog sie einen Trainingsanzug und Laufschuhe an und verließ das Haus. Ais der merkwürdige Kerl sie auftauchen sah, richtete er sich auf, warf eine halb aufgerauchte Zigarette in den Rinnstein und blieb abwartend stehen. Er war etwa Ende dreißig, Anfang vierzig, hatte dunkles Haar und hohe Wangenknochen, wie sie für Osteuropäer typisch waren.
    Nachdem sie die Tür zugesperrt hatte, rüttelte sie demonstrativ daran, als wolle sie das Schloss testen, und machte sich dann auf den Weg zum Kanal. Als sie sich nach einigen Sekunden umdrehte, sah sie, wie sich der Türgaffer in die entgegengesetzte Richtung davonmachte. Ihr Haus hatte er also nicht ausrauben wollen. Ach zum Teufel, mach dir keine Sorgen, dachte sie und joggte langsam los. Eine Minute später war sie auf dem Treidelpfad.
    Der Fluss Avon ist von seiner Mündung bis ins Zentrum der Stadt Bath schiffbar. Dann verbindet ein Kanal den Avon mit Bristol im Westen und London im Osten. In vergangenen Zeiten trotteten Shirehorses, besonders robuste Zugpferde, durch das ganze Land auf den Treidelpfaden entlang, um mit Kohle und anderen Gütern beladene Lastkähne zu ziehen. Doch dafür wurde der Kanal schon lange nicht mehr genutzt, sondern nur noch in Stand gehalten, weil er dem Freizeitvergnügen diente und so wunderschön war.
    Madeleine machte, wenn sie zur Arbeit ging, oft einen kleinen Umweg über den Treidelpfad, und sie war bestens vertraut mit der Abfolge der vielen unterschiedlichen Schleusen und Pumpstationen des Kanals. Im Laufe der sieben Jahre, die sie in Bath wohnte, hatte sie Hunderte von Malen zugesehen, wie die Schleusen gefüllt und dann wieder geleert wurden. Es war ungefähr so, als würde man darauf warten, dass Farbe trocknete – ein quälend langsamer Vorgang. Doch auf der Bank zu sitzen und die schmalen Kanalboote nach oben steigen oder in der sich leerenden Schleuse nach unten verschwinden zu sehen, beruhigte den häufig düsteren Strudel ihrer Gedanken.
    Der frühe Morgennebel schwebte noch über dem Boden, und das Gras war nass vom Tau. Hohe Pappeln, Eichen, Eschen und Trauerweiden bildeten einen grünen Baldachin über dem Wasser. Madeleine joggte halbherzig den Treidelpfad entlang. Er war bis auf einen Mann mit zwei nassen Labradorhunden, der ihr mit zügigem Schritt entgegenkam, menschenleer. Die Hunde folgten zielstrebig, wenngleich im Zickzackkurs, irgendeiner interessanten Fährte.
    Im Laufen hakte sie die Schleusen ab – Wash House Lock, dann Abbey View Lock und, in schneller Abfolge, Poulteney Lock und Bath Top Lock. Dort hatte sie umkehren wollen, fühlte aber zu ihrer Beruhigung, wie neue Kräfte sie belebten, und beschloss, bis nach Bathampton zu laufen, einem dreißig Minuten entfernt liegenden Dorf. Seit Wochen hatte sie sich nicht mehr richtig körperlich verausgabt, und das Laufen tat gut.
    Auf dem Heimweg spürte sie ihr Bein, und sie verlangsamte ihren Lauf zu einem Gehen. Der Bruch, den sie sich in dem Hurrikan zugezogen hatte, war gut verheilt, doch als spreche aus dem gebrochenen Knochen die Stimme ihres Herzens, bewahrte er in seinen Zellen die Erinnerung an Angelina und sorgte durch den sie heimsuchenden Schmerz dafür, dass sie ihren Verlust immer wieder erlebte.
    Nicht weit von ihrem Haus kam sie an einer Stelle vorbei, an der ihre Mutter sie einst im Schlamm kniend angefleht hatte. Obwohl sie damals noch sehr jung war, hätte sie vielleicht ahnen können, dass sich Rosaria am Rande des Wahnsinns bewegte.
***
    Über Bath fiel ein Nieselregen, und die Wolken hingen schwarz und schwer am Himmel. Ihre hässlichen englischen Schulschuhe machten ein schmatzendes Geräusch im Schlamm. Bis auf die Frau, die sie verfolgte, lag der Treidelpfad verlassen da.
    »Hör auf, mir nachzujagen«, rief sie ihrer Mutter über die Schulter zu. Sie bereute bitterlich, dass sie beim Frühstück mit der Wahrheit herausgeplatzt war.
    Rosaria holte sie ein, packte ihren Arm und zwang sie, stehen zu bleiben. »Sieh mich an, Magdalena. Wer ist der Junge?«
    »Jemand von zu Hause. Ein Garnelenfischer.«
    »Ein Garnelenfischer, aus Key West? Warum hast du mir das erst jetzt erzählt, Kind?« Sie schüttelte Madeleine am Arm. »Kenne ich den Mann? Wie heißt er?«
    »Forrest … Nein, du bist ihm nie begegnet. Ich hatte ihn gerade kennengelernt. Geh jetzt heim, Mama. Du wirst nass, und ich komme zu spät zur Schule.«
    »Nein, Magdalena, wir müssen

Weitere Kostenlose Bücher