Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
Gedanken daran, wie schnell sie immer dabei waren, Rosaria mit Medikamenten vollzupumpen, wenn sie unruhig wurde.
»Der Arme?«, meinte Rob spöttisch. »Sie sollten auch an die Schwestern denken.«
Sie lachte verlegen. »Ja, Sie haben recht. Aber wenn sich die Gelegenheit bietet, dann richten Sie ihm aus, dass ich ihm gute Besserung wünsche und in der nächsten Woche wieder da sein werde.«
»Selbstverständlich.« Ein kurzes Schweigen. »Bedeutet das, dass Sie nun am Freitagabend nichts mehr vorhaben?«
Madeleine lächelte. »Es ist besser, Beruf und Vergnügen nicht miteinander zu vermengen. Aber es ist nett, dass Sie fragen.«
»Falls Sie es sich noch anders überlegen sollten …«
Madeleine verabschiedete sich und stieg mit einem selbstzufriedenen Lächeln die Treppe hoch. Ja, es war nett, gefragt zu werden. Dann wanderten ihre Gedanken zu dem armen Edmund, der ans Bett gefesselt war. Am Freitag hatte er tatsächlich sehr blass und matt gewirkt. Er war ihr zudem teilnahmslos erschienen, nicht so aggressiv und scharfsichtig wie sonst.
Dass die Brosche nicht an ihrem Revers steckte, hatte er jedoch bemerkt und ausdrücklich gefragt, warum sie fehlte. Nach einer Weile hatte sie Gefallen an der Brosche gefunden, und Edmund war aufrichtig erfreut gewesen, sie an ihr zu sehen. Auf seine Frage hin teilte sie ihm mit, die Brosche liege zu Hause in einer Handtasche. Sie habe sie abgenommen, weil ihre Mutter durch sie beunruhigt worden sei.
Die Brosche … Ein weiteres Mal stieg sie die Treppe hinunter, um in die Küche zu gehen, wo ihre geräumige Schultertasche auf dem Tresen stand. Sie durchwühlte den riesigen Innenraum der Tasche, konnte aber die Brosche nicht finden, obwohl sie diese seit dem Zwischenfall mit Rosaria vor über einer Woche nicht wieder herausgenommen hatte. Verflixt! Sie drehte die Tasche um und schüttete sie aus. Allerlei Krimskrams rutschte klappernd über den Tresen, zusammen mit Krümeln, klebrigen Halsbonbons sowie Stöckchen und Steinchen, die sie für ihr Formicarium gesammelt hatte. Sie nahm Stück für Stück in die Hand.
Sie wusste, dass die Brosche eigentlich da sein musste, aber offenbar war sie es nicht. Madeleine hatte noch ganz genau vor Augen, wie sie im Wohnzimmer von Setton Hall neben ihrer Mutter gesessen hatte, erinnerte sich an deren heftigen Ausbruch und daran, wie sie die Brosche in die gähnende Öffnung der Tasche hatte fallen lassen. Vielleicht hatte sie sich in einem Handschuh oder einem Papiertaschentuch verfangen und war herausgefallen. Also war die Brosche verloren gegangen. Das war die einzige plausible Erklärung.
Eine unerklärliche Traurigkeit überkam Madeleine, als sie sich einmal mehr der Treppe zuwandte und sich schwor, keine weitere Ablenkung mehr zuzulassen.
Durch die Dachfenster in ihrem Atelier schien die schwache Aprilsonne. Nach dem Kauf des Hauses hatte sie den Dachboden in einen Arbeitsraum verwandelt. Er war groß, hatte jedoch eine niedrige Decke. Wenn sie nach unten sah, konnte sie einen Zipfel ihres kleinen Gartens sehen. Die Gasse dahinter führte an einer mit Efeu bewachsenen Lagerhalle vorbei, in der eine Möbelfabrik untergebracht war, und an der einen Seite war ihr Garten von einer soliden Steinmauer flankiert. Vom Wind geschützt, gediehen ihre Pflanzen prächtig. Es war zwar unmöglich, die üppige Vegetation von Key West nachzuahmen, aber sie hatte alle subtropischen Pflanzen, Blumen und Bäume gekauft, die robust genug waren, einen durchschnittlichen englischen Winter zu überleben. Die unterschiedlichen Cycadophyten und Palmen entwickelten sich gut, als wären sie direkt in der Erde von Florida verwurzelt.
Sie betrachtete die leere Leinwand auf ihrer Staffelei. Häufig begann sie im Frühjahr mit einer neuen künstlerischen Phase. Sie wollte eine weitere Serie in Angriff nehmen, eine völlig andere Perspektive ausprobieren. Dazu musste sie sich zunächst innerlich von der Höhlenserie lösen. Das Problem bestand darin, dass diese noch nicht wirklich abgeschlossen gewesen war. Sie hatte zwei weitere Gemälde geplant, aber ein Ameisenliebhaber den sie über ein myrmekologisches Internetforum kannte, hatte sie von Chicago aus angerufen, und nachdem sie ihm Fotos von der Serie geschickt hatte, machte er ihr ein unglaubliches Angebot für alle acht Leinwände, ohne sie im Original gesehen zu haben. Der Mann war offenbar unsäglich reich.
Ihr war klar, dass sie sich eigentlich freuen sollte, denn für so viel Geld musste sie
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