Erde
beschimpften, gehorsame Antworten zurückbrüllen, dann noch mehr rennen, bis man hinfiel. Natürlich hatten die einführenden Bänder zuvor den Zweck von alledem erklärt.
»…Rekruten müssen intensiven Streß durchmachen, um zivile Antwortsweisen zu brechen und Verhaltensschablonen für militärische Indoktrination vorzubereiten. Ihre Rechte werden nicht aufgegeben, sondern nur zeitweilig suspendiert, um Disziplin, Koordination, Hygiene und andere heilsame Fähigkeiten zu pflegen…«
Nur Freiwillige, die Verständnis hatten und Verzichterklärungen unterzeichneten, durften den friedenserhaltenden Streitkräften beitreten. Sie hatten also gewußt, was sie zu erwarten hatten. Was Roland wirklich überraschte, war, daß er sofort angenommen wurde trotz mittelmäßiger Schulzeugnisse. Vielleicht waren die Eignungstests der Friedenskämpfer doch nicht unfehlbar. Oder vielleicht offenbarten sie etwas über Roland, das in Indiana nie zum Vorschein gekommen war.
Intelligenz kann es nicht sein, das ist sicher. Und ich bin keine Führerpersönlichkeit. Wollte es auch nie werden.
In seinen freien Momenten (im ganzen drei, seit er hier in Taiwan zum Training angekommen war) hatte Roland über dieser Frage gegrübelt und schließlich entschieden, daß ihn das überhaupt nichts anginge. Solange die Offiziere wußten, was sie taten, war ihm das genug.
Dennoch erfüllte ihn das Herausrufen von Rekruten zu einem Nachteinsatz nicht mit Zuversicht.
Wozu wären Greenhorns wie wir in einer Kampfoperation nütze? Würden wir nicht bloß im Wege stehen?
Seine Gruppe marschierte im Geschwindschritt längs einer hochragenden wohlriechenden Hecke auf das Geräusch von Helikoptern und die schmerzhafte Blendung von Scheinwerfern zu. Schweiß lockerte seinen Griff am Schaft und zwang ihn, die Waffe fester zu halten. Sein Puls beschleunigte sich, als sie sich dem Schauplatz der Handlung näherten. Und dennoch war Roland sich sicher, daß er sich nicht vor dem Tode fürchtete.
Nein, er fürchtete eine Eskalation.
»Takka sagt, es sind Ökofreaks!« flüsterte keuchend der neben ihm laufende Rekrut. Roland antwortete nicht. In der letzten Stunde hatte er von Latrinenparolen die Schnauze voll.
Neu-gaianische Radikale hätten einen Damm in die Luft gejagt, sagte jemand.
Nein, es wäre ein unlizenziertes Genlabor oder vielleicht eine nicht registrierte nationale Bombe – die dem Rio-Pakt zuwider versteckt war.
Zum Teufel – keiner der gerüchteweise verlautenden Notfälle schien den Einsatz milchbärtiger Rekruten zu rechtfertigen. Es mußte eine wirklich große Affäre sein. Oder etwas, das er überhaupt noch nicht verstand.
Roland betrachtete den hüpfenden Rucksack von Korporal Wu. Der stämmige Chinese schleppte das doppelte Gewicht wie jeder von ihnen, hielt sich aber offenbar zurück wegen der langsamen Rekruten. Roland wünschte, Wu würde die Munition sofort ausgeben. Wie, wenn sie in einen Hinterhalt gerieten? Wie, wenn…
Du weißt noch gar nichts, du Trottel! Bete lieber darum, daß sie keine Munition ausgeben! Die Hälfte der Muttersöhnchen, die hinter dir her rennen, können ihre Flinten nicht von ihren Hinterteilen unterscheiden.
Fairerweise dachte Roland, daß sie über ihn wohl genauso dächten.
Die Gruppe rannte um die Hecke herum auf einen mit Kies bedeckten Fahrweg und schnaufte bergauf zu den blendenden Laternen. Offiziere wimmelten herum, über Klemmbretter brütend und lange Schatten über einen kurzgeschnittenen Rasen werfend, der von ’koptern und Magnus-’zeps zerwühlt war. Eine prächtige Villa stand weiter oben am Hang und beherrschte die üppige Landschaft. Silhouetten hasteten hinter hell erleuchteten Fenstern.
Roland sah keine Schützenlöcher. Keine Anzeichen von feindlichem Feuer. Also würde die Munition wohl nicht gebraucht werden.
Korporal Wu ließ die Gruppe lässig halten, als die massive, mürrische Gestalt von Sergeant Kleinerman aus dem Nichts auftauchte.
»Lassen Sie die Würstchen die Waffen drüben am Flußbett aufstapeln!« sagte Kleinerman zu Wu in ausdruckslosem militärischen Standard-Englisch. »Putzen Sie ihnen die Nasen und nehmen Sie sie zurück! UNEPA hat für sie Arbeit, die einfach genug ist, daß auch kleine Kinder damit zurechtkommen.«
Jeder Rekrut, der diese Redeweise persönlich nahm, war ein Narr. »Keine Waffen«, knurrte Takka, als sie ihre Gewehre zwischen zertrampelten Ringelblumen zusammenstellten. »Was denken die, was wir nehmen sollen – unsere
Weitere Kostenlose Bücher