Erfolg
gewandelt, seitdem die Wahrhaft Deutschen Festaufzüge veranstalteten. Kein Patriotismus ohne Vergnügen, kein Vergnügen ohne Patriotismus war jetzt seine Devise. Er träumte von einer großen Fahnenweihe, bei der er die Dekoration der Feststraßen und die Regie des Festzuges übernehmen wollte.
Die Tätigkeit im Hauptquartier beendet, fuhr Erich in die Privatwohnung Kutzners. Sowie er nicht mehr mit andern zu verhandeln hatte, bröckelte seine Frische ab wie schlechte Schminke. Er hockte da, ungewohnt bedrückt. Verflucht, alles, was mit seinem Freunde Dellmaier zusammenhing, ging schief. Die Hundevergiftungsgeschichte hatte sich ein zweites Mal verknäuelt, kam nicht zur Ruhe. Der verfluchte Messerschmidt mit seiner gußeisernen Rechtlichkeit. Ausgerechnet auf diesen Fall mußte er hinstarren mit seinen großen Ochsenaugen. Er hatte von Dellmaier von neuem eingesperrt, er ließ von Dellmaier nicht los. Wenn Erich sich mit so wilder Betriebsamkeit in der Partei betätigte, dann vor allem, weil Kutzner und Vesemann ihm den Freund aus dem Gefängnis herausholen sollten. Schon hatte er viel erreicht; schon begann der Fall zu einer Prestigefrage zu werden, zu einer Machtprobe zwischen den Wahrhaft Deutschen und ihrem letzten Gegner im Ministerium.
Im Vorzimmer Kutzners, als Sekretärin, saß die Insarowa. Die schmächtige Russin hatte den Rat des vertrauenswürdigen Dr. Bernays nicht befolgt, war nicht in das englische Sanatorium gegangen, sich der heldischen Liegekur zu unterziehen. Vielmehr hatte sie nach einer seiner Versammlungen den Kutzner so hemmungslos angehimmelt, daß der geschmeichelte Führer ihrer Bitte um eine Funktion in der Partei entsprachund sie als Privatsekretärin zu sich berief. Bei ihm jetzt saß sie, dünner, kränker, zierlicher mit jedem Tag, spann kleine Intrigen, fühlte sich wohl.
Erich verlangte, daß sie ihm, und zwar sogleich, eine halbe Stunde mit Kutzner verschaffe, in der er den aufgeregten, mit zehn Angelegenheiten gleichzeitig beschäftigten Mann allein sprechen könne, ohne Störung, ohne Telefon, ohne Telegramme. Erich war entschlossen, einen letzten großen Vorstoß für von Dellmaier zu wagen. Er mußte den Kutzner dahin kriegen, daß der in seiner nächsten Montagsversammlung den Fall aufgriff, daß er die Freilassung von Dellmaiers zu seiner eigenen Sache machte.
Die Insarowa zog nicht recht. Erich Bornhaak gefiel ihr, sie flirtete gern mit ihm herum, tat ihm gern einen Gefallen. Allein der Führer war überlastet, eine Persönlichkeit von Belang hatte sich angesagt, ein wichtiges Telefongespräch mit Berlin mußte jeden Augenblick kommen. Sie machte Schwierigkeiten. Erich drängte, bestand. Sie ließ ihn zu Kutzner.
Erich wußte den Mann zu nehmen, kraulte ihn, wo es ihm wohltat, steckte ihn in die Tasche. Suggerierte ihm geschickt ein paar Ideen, so daß sie der Führer für seine eigenen hielt. Einziger Grund der Regierung für die neue Verhaftung von Dellmaiers war, daß man der vaterländischen Bewegung eine so wertvolle Stütze entziehen wollte. Ein Verbrechen dieses verdienten Mannes konnte man nur zusammenkonstruieren mit Hilfe des verfluchten formalistischen römischen Rechts, das Pfaffen und Juden dem deutschen Volk aufgezwungen hatten. Jeder Unvoreingenommene mußte von Dellmaier seine Unschuld am Gesicht ablesen. Einzige Schuld blieb seine patriotische Gesinnung. Hunde vergiften! Dieser Mann! Es war die dickste Unverschämtheit, die die pfäffische Regierung sich leistete. Die Befreiung von Dellmaiers war Ehrensache der Partei. Er sah, wie der Führer die Wirksamkeit seiner Argumente begriff. Kutzners maskenhaft leeres Gesicht beseelte sich, begann zu arbeiten, als ob er bereits redete. Als Erich ging, nahm er mit sich das bestimmte Versprechendes Führers, am Montag über den Fall von Dellmaier zu reden, und die Zuversicht, daß Kutzner aus seinen, Erichs, Argumenten einen effektvollen Salat zurechtmachen werde.
Hatte es dieser junge Mann Erich Bornhaak nicht gut? In einer Zeit, in der es den meisten Menschen seines Landes dreckig ging, hatte er Geld, Ansehen, die Mädchen liefen ihm nach. Er war erfreulich anzuschauen, nicht mehr gar so jung und keineswegs windig. Er stand da, den Krieg und sonst viel Widerwärtiges hinter sich, ein ausprobierter Mann. Er hatte mit dem Tod geschlafen, war mit dem Tod aufgestanden, hatte jeden Gestank der Welt gekostet: was konnte ihm noch passieren? Jetzt wird er wohl auch seinen Freund Georg aus dem Gefängnis herausholen,
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