Erfolg
nicht aufkommt gegen seine Beamten. Seine Richter, seine Staatsanwälte sind im Unrecht: aber sie fühlen sich im Recht. Er selber, wie oft hat er gegen solche Verlockung ankämpfen müssen. Die Militärs haben nicht standgehalten, die Militärs haben die Ordnung nicht geschätzt. Sie, die Richter, sind die letzten Verteidiger des guten, alten Staates. Anton von Messerschmidt ist allmählich sehend geworden; seine Richter bleiben blind. Verteidigen die tote, alte Haut gegen das neue Leben, das längst in ihr hochwächst.
Nein, sie lassen ihn nicht aufkommen. Er ist sich bewußt, daß er sich auf seinem Posten nicht bis zum Niederbruch des Unsinns wird halten können, er ist zerknabbert von dem unaufhörlichen Kleinkrieg gegen seine Kollegen und seine Beamten. Da ist dieser Hartl, der mit bestechenden Gründen augenscheinliche Lumpen und Übeltäter zur Begnadigung vorschlägt. Des Messerschmidt primitive Rechtlichkeit zerreibt sich an der schmiegsamen Dialektik des feinen, höhnischen Herrn. Es hatte sich die Kunde verbreitet, Anton Messerschmidt sei ein gerechter Mann. Da war eine große Verwunderung entstanden im Land, und nun kamen unzählige mit Bitten und Beschwerden. Der Minister wußte, daß diese Eingaben parteiisch geprüft wurden; doch wie soll ein einzelner sich zurechtfinden? Er leidet in seinem schlichten Herzen an dem, was jetzt im Reich und vor allem in Bayern vorgeht. Er hält es für ein Unglück, tief und verderblich wie Krieg und Niederlage.
Es sind noch zwanzig Minuten, bis diese Frau Krüger kommen wird. Er machte sich an Akten, erledigte sie in umständlichen Verfügungen, sehr deutlichen, auf daß sie nicht von den untern Instanzen verdreht und sabotiert würden. Was man tun kann, sind winzige Dinge, Tropfen im Meer. Aber hierher istman gestellt, hier tut man seine Arbeit. Es ist ein verlorener Posten, wir Messerschmidts haben verlorene Posten in diesem Jahrhundert. Auch sein Bruder damals auf der »Queen Elizabeth« hatte einen verlorenen Posten, als er das Schiff auf die von ihm selber gelegten Minen auflaufen ließ.
Da ist diese läppische Geschichte mit dem General Vesemann. Der hatte provokatorisch, gegen das Gesetz, Uniform getragen. Die Patrioten warten höhnisch darauf, ob man es wagen wird, den General zu bestrafen.
Bestrafen. Anderes wäre not. Unlängst, bei einem Diner, der Messerschmidt war dem General Vesemann gegenüber gesessen, hatte ein Kellner dem General etwas nicht recht gemacht. Der General hatte ihn hart angefahren und saß nun da und schaute dem scheu und beflissen Enteilenden voll Wut nach. Da, gewissermaßen zum erstenmal, sah der Messerschmidt die Augen des Generals. Sah in ihnen einen bestimmten, unverkennbaren Ausdruck. Sah: dieser Mann, Jahre hindurch der Diktator Deutschlands, dieser Mensch, der über Leben und Tod von Millionen bestimmt und der bewirkt hat, daß die ganze Welt einen längst entschiedenen Krieg noch weiter kämpfte, dieser General Vesemann war verrückt. Augen wie er hat der Büffel gehabt im zoologischen Garten, der, toll durch die Gefangenschaft, dann erschossen werden mußte. Kein Zweifel: jetzt, wie der Mann dasaß und dem Kellner nachstierte, müd, gehetzt und fanatisch, hatte er genau die Augen jenes Tieres. Der Justizminister Messerschmidt, als er dies untrüglich wahrnahm, erschrak, daß ihm die Knie zitterten und daß sein blaurotes Gesicht in dem weißlichgrauen Vollbart fahl wurde. Der Mann war ein Heros gewesen; aber dann, wahrscheinlich noch vor dem Ende des Krieges, war er ein Narr geworden. Deutschland, in seinen entscheidenden Stunden, hatte einen Narren zum Führer gehabt. Und hat den Narren auch nach dem Zusammenbruch nicht davongejagt oder eingesperrt. Der Narr saß da, saß in seinem München, zettelte mit einem andern, um dessen Gehirn es auch nicht zum besten stand.Und diese beiden Männer, dem übrigen Deutschland zum Gespött, waren die Führer seines Landes Bayern.
Der Alte, an seine Erkenntnis denkend, stöhnt. Fernher steigen ihm Erinnerungen auf aus seiner Gymnasialzeit: Caligula, Nero. Seine Herren würden lächeln über solche Vergleiche. Den alten Staat halten sie hoch; aber von alten Dingen wissen sie nicht viel. Bildung ist nicht mehr angesehen. Er, Messerschmidt, denkt oft an seine Gymnasialzeit. Er hat viel Arbeit gehabt damals; denn er brachte die Dinge nur langsam in seinen schweren Kopf. Aber dann hafteten sie auch. Manchmal jetzt noch braucht er lateinische Zitate. Seine Herren hören sie an; aber viel
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