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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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„nichts zu befürchten. Wir haben ein voll funktionsfähiges Bad, und in den Schränken findest du Kleidung in unterschiedlichen Größen. Du kannst baden und dir frische Sachen anziehen. Damit solltest du dich nach Monaten in dieser Folterkammer viel besser fühlen.“ Bei diesen Worten berührte er das dünne weiße Nachthemd, das ich trug, und strich mir mit der Hand über die Schulter. Ich erschauerte.
    Er zog seine Hand schnell wieder zurück und wandte den Blick ab. „Hier ist alles, was du brauchst. Aus jedem Zimmer gibt es Ausgänge. Tunnel wie der, durch den wir gekommen sind. Jeder führt zu einem anderen Teil des Anwesens. Wenn wir fliehen müssen, können wir es. Und hier“, er deutete auf ein kleines, in die Wand eingebautes Gerät, einen Kühlschrank, „haben wir ausreichend Nahrung.“
    Ich sah erschrocken zu der kleinen Tür. „Was … was meinst du damit?“
    Er öffnete die Tür mit einer ausholenden Geste. Ich bin nicht sicher, was ich erwartet hatte. Ein langes, schmales Gewölbe mit den Kadavern seiner Opfer oder etwas ähnlich Grässliches, nehme ich an. Stattdessen sah ich stapelweise Beutel, wie sie in Blutbanken und Krankenhäusern verwendet wurden. Sicher hatte er mir den Schock angesehen, denn er legte den Kopf schief und sah mich wissend an. „Siehst du, wie wenig du weißt, Angelica? Wir ernähren uns nicht von Lebenden. Das gibt es nur in Monsterfilmen. Warum sollten wir unschuldige Menschen überfallen, wo es überall Blut in Hülle und Fülle gibt?“ Und er schlug die Tür zu und schüttelte angewidert den Kopf. „Ich schlage vor, du nimmst etwas zu dir. Ich geh mich duschen und umziehen. Versuch nicht, zu gehen. Die Türen öffnen sich nur mit dem richtigen Code. Und selbst wenn du den durch Zufall treffen würdest, wird ein Alarm ausgelöst. Und sollte das alles doch versagen und dir die Flucht gelingen, dann wärst du ohne Schutz im Freien, und der Morgen graut bald. In der Sonne würdest du verbrennen.“ Er wandte sich ab, als wollte er mich tatsächlich allein hier zurücklassen.
    „Und die Sonne würde mich töten?“, fragte ich. Ich musste es wissen. Ich lebte seit neun Monaten als verderbte Vampirin und wusste nicht das Geringste über mich. Auf seine ungehobelte Weise hatte er mir deutlich vor Augen geführt, wie wenig ich wusste. Nicht einmal, was tödlich für mich sein könnte. Aber das alles musste ich wissen. Die Fragen, die ich mir anfangs selbst stellte – und die ich in der närrischen Gewissheit ignoriert hatte, dass ich eines Tages wieder ein Mensch sein würde –, gingen mir mit neuerlicher Dringlichkeit durch den Kopf. Ich gehörte einem Volk an, von dem ich nichts wusste. Wie ein Neugeborenes, das seinen eigenen Körper nicht kennt. Aber ich wollte alles erfahren.
    Er erstarrte, aber als er sich wieder zu mir umdrehte, schien seine strenge Miene sanfter zu sein. Er runzelte bestürzt die Stirn. „Ja. Natürlich. Mein Gott, Angelica, weißt du nicht einmal das?“
    Ich senkte den Kopf, wandte mich ab, von diesen Augen, die alles über mich zu wissen schienen. Ich hatte schon zu viel preisgegeben. Ich wusste, was ich dieser Kreatur verriet, würde gegen mich verwendet werden.
    Er betrachtete lange meinen Rücken und wartete auf eine Antwort. Eine Antwort, die ich ihm nicht zu geben wagte. Daher versuchte ich, das Thema zu wechseln. „Wo schlafe ich?“
    „Ah, noch eins von Erics Wundern. Ich zeige es dir.“ Er ging an mir vorbei zu einer anderen Tür und stieß sie auf. Dann winkte er mit der Hand, damit ich vor ihm eintreten konnte. „Das ist natürlich nicht meine erste Wahl“, sagte er, als ich den Raum betrat. „Aber wenn du siehst, wie sicher die sind, wirst du es verstehen. Eric ist ein Genie, was so etwas anbelangt. Er installierte … Angelica?“
    Ich konnte mich nicht rühren. Wie angewurzelt stand ich da und betrachtete von Grauen erfüllt die beiden Särge, die in der Dunkelheit glänzten. Ich konnte nicht atmen, so groß war mein Entsetzen. Schon bei ihrem Anblick fühlte ich mich darin gefangen, spürte die Enge, hörte meine Schreie und sah mich vergeblich gegen den Deckel hämmern.
    Jameson berührte mich an der Schulter, und da war es um meinen Stolz geschehen. Ich wirbelte zu ihm herum, ließ mich auf die Knie fallen, ergriff seine Hand, und es war mir egal, dass ich vor einem Dämon kniete. Ich senkte zwar den Kopf, damit er meine Tränen nicht sehen sollte, doch das änderte nichts daran, dass meine Worte durch das Schluchzen

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