Erlösung
es mir wie Schuppen von den Augen. Ein kleines Stück, das dem ganzen Puzzle mehr und mehr Konturen gab. Wie konnten solche unterschiedlichen Faktoren auf einmal zusammenhängen? Es war so einfach, viel zu trivial, aber die Fakten bohrten sich unablässig ins Bewusstsein, ob es einem gefiel oder nicht.
„Du hast Lesleys Tante kennen gelernt.“
Peter lächelte tatsächlich ein wenig. „Eine nette Frau“, gestand er. „Sie hatte wohl Mitleid mit mir, denn obwohl ich bloß ein Freund war, ließ sie mich zu Evelyn.“ Dann verdunkelten sich seine Gesichtszüge und der harte, unterkühlte Ausdruck kehrte zurück. „Wenn es nur um die Ärztin gegangen wäre… Aber sie hatte einen Bruder. Ein Mann, der mir in keiner Weise das Wasser reichen konnte, es aber dennoch schaffte, mir etwas zu stehlen.“ Seine Worte wurden zu einem Knurren. „Er nahm mir Evelyn…“ Peter sah erneut zu Richard Ashton und der blanke Hass flackerte nun in seinen blauen Augen auf. Dann starrte er mich an. „Kannst du dir das vorstellen? Dass mich ein Mensch tatsächlich besiegt hat?“ In meinem Kopf formten sich langsam Bilder, sie wuchsen zu einer alles verändernde Wahrheit an.
„Aber das würde ja bedeuten, dass er… das kann nicht sein?“
Mein einstiger Verbündeter ließ wieder seinen Kopf gegen die Terrassentür fallen. „Oh doch, ganz recht. Und hier kommt das Grande Finale…“
Verloren
„Evelyn blieb noch für einige Tage im Krankenhaus. In der Zeit hatte sie verschiedene Tests über sich ergehen lassen müssen, die alle auf dasselbe Ergebnis abzielten: Ihre Amnesie war schwerer, als anfangs angenommen. Die Ärzte konnten nicht mit Bestimmtheit sagen, wann oder ob sie sich jemals wieder an alles erinnern würde, was in ihrem Leben vorgefallen war. Ruhe und Geduld waren das Einzige, was man ihr riet.“ Peter seufzte. „Als ob das genau die richtige Behandlung gewesen wäre. Vor allem, da ich so ein besonnener Typ bin. Nun, dennoch blieb mir nichts anderes übrig, als genau das zu tun; nämlich nichts. Ich hatte den Abstand von dir, Nicholas, was immerhin bedeutete, dass ich mir keine Ausreden oder Lügen einfallen lassen musste. Ich konnte jeden erdenklichen Moment bei Evelyn sein, obwohl sie das wohl eher beunruhigt hatte.“
„Inwiefern“, hakte ich schließlich nach, weil er nicht weiter sprach.
„Sie erkannte mich einfach nicht.“ Die Enttäuschung hallte in seinen Worten deutlich nach. „Ich war wie ein Fremder für sie. Alles, was wir bis dahin zusammen erlebt hatten, wollte ich ihr erzählen. Und bis auf die Tatsache, dass ich ein Vampir war, tat ich es schlussendlich auch… doch ohne Erfolg.“ Peter starrte auf seine Finger, die mit dem beschmutzten Stück Stoff spielten, das als provisorischer Verband gedient hatte. „Ich glaube, ich habe sie sogar ein wenig geängstigt. Obwohl ich sie so sehr liebte und mein Leben für sie gegeben hätte, konnte ich einfach nichts an der Tatsache ändern, dass sie in mir nichts sah außer einem völlig Unbekannten, der sie belästigte. Nach ungefähr zwei Wochen kam dann Richard Ashton ins Spiel. Er besuchte seine Schwester in der Klinik.“ Peter riss den Stofffetzen wütend in zwei Teile. „Eigentlich war er wegen einer Familienangelegenheit gekommen. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Er kam in Evelyns Krankenzimmer, während ich bei ihr war und Dr. Ashton eine neue Behandlungsmethode erläuterte. Und glaub´ mir Nicholas, er war auch damals schon ein Arsch.“ Ein flüchtiges Grinsen zuckte in seinem Mundwinkel. Ich nickte nur zustimmend und ließ ihn weiter erzählen.
„Normalerweise hätte ich ihm keine weitere Beachtung geschenkt, aber Evelyn sah ihn an, so als würde sie ihn kennen. Und dieser Mistkerl erwiderte mehrmals ihren Blick, als er mit seiner Schwester sprach. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe wohl schon in jenem Moment gewusst, dass mir dieser Mensch nur Ärger einbringen würde.“ Er sah mich an. „So wie dir.“
„Hat er Evelyn Avancen gemacht?“ Das würde dem Ganzen die Krone aufsetzen.
Peter gluckste freudlos. „Nicht nur das. Er war von da an jeden Tag in der Klinik und er konnte natürlich auch am Tag da sein, wenn ich mich vor der Sonne verschanzen musste. Das Abartige war jedoch, dass Evelyn anfing, ihn zu mögen. Ich konnte es spüren, riechen und wenn ich sie ansah, dann erkannte ich in ihrem Blick bloß Bedauern und ein schlechtes Gewissen. Aber wie konnte ich sie dafür hassen, sie konnte mit
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