Erlösung
ruhig, „ich bin jedenfalls dabei Evelyn abzuholen.“ Evelyn? Nannten wir uns jetzt schon beim Vornamen? „Ihr Vater regelt die Formalitäten, also sind Sie völlig fehl am Platz.“
„Das könnte Ihnen so passen. Ich bin hier, um sie mitzunehmen und Sie werden sie gefälligst in Ruhe lassen. Haben wir uns verstanden?“ Meine Finger griffen demonstrativ nach Evelyns Hand und ehe sie überhaupt zurückweichen konnte, hatte ich sie bereits gepackt. Es kostete mich beinahe meine ganze Beherrschung, um ihr nicht wehzutun, was in meinem jetzigen Gefühlszustand viel zu leicht geschehen konnte. Der Zorn ließ meine Kräfte nur noch mehr anschwellen.
„Bitte versteh´ mich, Peter. Ich kann nicht mit dir gehen. Es tut mir wirklich Leid, weil meine Gefühle fort sind, aber deine immer noch da sind.“
„Sie sind nicht weg, du hast es nur vergessen. Sie sind bloß tief in dir, schlummern im Verborgenen, aber es wird alles wiederkommen, vertrau mir“, beharrte ich. „Ich weiß es!“
„Es war sicherlich einmal so, doch ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich wünschte es wäre wirklich so einfach, aber ich kann nicht einfach nur darauf warten, dass sich etwas ändert. Verstehst du?“ Sie versuchte sich aus meinem Griff zu lösen, aber ich hielt ihre Finger fest umklammert.
„Evelyn?“
„Ich muss mein Leben in den Griff bekommen und Richard will mir dabei helfen. Er kann mir einen Job in seiner Firma geben und…“
„Wo willst du denn hin?“, unterbrach ich sie barsch. „Und was ist mit deinem Leben, deinem Studium…“ Fade Einwände eines Vampirs, doch wie sollte ich ihr die Wahrheit sagen, ich konnte nichts von alledem preisgeben.
„Ich kann mich ja noch nicht einmal an mein Hauptfach erinnern“, verteidigte sie sich kurzerhand.
„Architektur!“
Evelyn sah mich plötzlich flehend an. „Bitte Peter, lass mich los. Ich kann nicht mit dir gehen. Bitte…“
Ashton mischte sich nun ein. „Hören Sie“, seine Hand griff nach meiner und trotz der Kälte zuckte er nicht zurück. „Ich habe keine Ahnung wie das in Frankreich geregelt wird, aber hier in England lässt man eine Frau in Ruhe, wenn sie `Nein´ sagt.“
War ihm nicht klar, dass ich ihm seinen versnobten englischen Kopf abreißen konnte, noch ehe er ein weiteres Wort von sich gab? Wohl nicht… Ich sah ihn von der Seite an, ohne Evelyns zarte Finger loszulassen. „Ist euch Teetrinkern denn nicht bekannt, dass wir Franzosen um die Liebe kämpfen?“ Ich wartete nicht auf eine Antwort von ihm, stattdessen sah ich wieder zu Evelyn. „Bitte hör mir nur noch einen Moment lang zu.“ Die Worte kamen kaum über meine Lippen. „Ich werde dich jetzt gehen lassen, aber bloß weil ich mir sicher bin, dass es nicht von Dauer sein wird. Hörst du? Ich werde warten, egal wie lange es eben dauern mag, bis du dich erinnerst. Denn ich habe Zeit… und ich weiß, dass alle Empfindungen und Gedanken von einst zurückkehren werden, irgendwann wird es geschehen. Und wenn es soweit ist, dann kannst du mich an unserem speziellen Platz finden. Genau an dem Ort, wo du dich in jener Nacht für mich entschieden hast, bevor dieser schreckliche Unfall passiert ist.“
„Was ist, wenn ich mich niemals wieder daran erinnern kann? Es könnte sein, dass mein Gedächtnis lückenhaft bleibt. Ich möchte nicht, dass du auf etwas wartest, was nie mehr geschehen wird. Du solltest versuchen neu anzufangen.“
Ich schüttelte meinen Kopf. „Alles wird sich fügen. Ich werde jeden Abend, jede Nacht dort sein, egal wie lange du brauchst…“
„Aber ich weiß noch nicht einmal von welchem Ort du überhaupt sprichst, Peter.“
„Das macht nichts, er wird dir wieder einfallen. Ganz sicher.“
In ihrem Blick erkannte ich, dass sie mit meiner Äußerung nicht viel anfangen konnte. Trotzdem sah sie auf einmal traurig aus. Hatte sie etwa Mitleid mit mir?
„Es tut mir Leid. Alles…“, sagte sie leise. Ein anderer Mann kam auf einmal aus einem angrenzenden Zimmer und eine Krankenschwester tauchte kurz darauf hinter ihm auf. Sie unterhielten sich über Entlassungspapiere und als Evelyns Name fiel, war mir klar, dass es ihr Vater sein musste. Die Zeit war gekommen, ich würde sie hier und jetzt gehen lassen müssen. Mir blieb keine andere Wahl. Widerwillig löste ich meinen Griff und gab somit Evelyns Finger frei. Sie zog ihre Hand aus meiner und wir sahen uns ein letztes Mal an. Was für ein grausames, alles zerfetzendes Gefühl das war; die Person, die man am
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