Erlösung
ich nichts davon essen konnte. Sie war so nervös gewesen, der schnelle Puls hatte sie verraten, ebenso wie ihre zitternden Hände, die kaum das Geschirr halten konnten. Und als sie zwei Weingläser aus dem Schrank holen wollte, war ihr eins davon aus den Fingern gerutscht. Es war wie eine Art Reflex gewesen, ich hatte das Glas einfach auffangen müssen. Niemals würde ich ihren Gesichtsausdruck vergessen, als sie mich ansah und in jenem Augenblick erkannte, dass ich kein normaler Mann war. Trotz allem war sie dennoch nicht fortgerannt. Nein, sie war geblieben, damit sie meiner Geschichte zuhören konnte. Ich hatte ihr erzählt, wie ich zu einem Vampir geworden war, an welche Gesetze ich mich dadurch gebunden hatte und dass ich sie, einen Menschen, gar nicht lieben durfte. Aber Evelyn hatte mein Herz bereits erobert, das konnte ich nicht mehr leugnen. Viel wichtiger war allerdings, dass sie es hatte behalten wollen. Sie wagte diese verbotene Verbindung mit mir, obwohl sie wusste, dass ich ein Vampir war. Und nun stand meine große Liebe vor mir und all´ unsere Erlebnisse und Gefühle waren endlich in ihr Bewusstsein zurückgekehrt.
„Ich weiß nicht, ob Richard etwas bemerkt hat, doch es fiel mir so schwer, nicht einfach aus dem Haus zu laufen. Ich zwang mich dazu, normal zu wirken und den Abend wie gewohnt ausklingen zu lassen. Und dann bin ich einfach unter einem Vorwand gegangen. Man könnte auch sagen, ich habe mich davon gestohlen, aber… aber es ist mir egal.“ Evelyn blickte mich an und ihre schönen Augen füllten sich in Sekundenbruchteilen mit Tränen. „Du meine Güte, auf einmal ging alles so schnell. Jegliche Empfindungen, so viele Bilder, alles ist wieder an seinem Platz, in meinem Kopf und in meinem Herzen. Ich hatte dich, uns, all´ das, was uns verband tatsächlich vergessen… ist das zu fassen? Oh Gott, Peter, es tut mir so unendlich Leid. “
Ihr Kummer schien bis in meine eigenen Glieder zu dringen und jetzt konnte ich nicht mehr anders; ich ging zu ihr und nahm sie in meine Arme. Sie fing an zu weinen, also streichelte ich ihr zärtlich über den Rücken, so wie ich es immer getan hatte, um sie zu beruhigen. Sie sollte sich wieder geborgen und beschützt fühlen.
„Jene Nacht, die alles zerstört hat, ist nun wieder so klar in meinem Kopf verankert, als wäre es erst vor ein paar Tagen geschehen.“ Es klang, als würde sie auf einmal lächeln. „Wie wir uns hier an unserem geheimen Ort getroffen haben, wie du mich darum gebeten hast, mich zu entscheiden… ich sagte dir, dass ich nachdenken müsste. Dass ich eine Nacht darüber schlafen müsste. Also lief ich nach Hause, obwohl mir bereits klar war, was ich dir sagen würde. Hätte mich dieses Auto nicht erwischt, dann wären wir bereits miteinander verbunden worden.“ Die Traurigkeit in ihrer Stimme kehrte urplötzlich zurück. „Peter, meine Wahl war schon getroffen, noch bevor ich unseren Lieblingsplatz hier verlassen hatte. Ich hatte längst gewusst, dass ich mich für dich entscheiden würde, ganz gleich, was es mich auch letztendlich gekostet hätte. Meine Liebe war größer als alles andere…“
„Und ich wusste, dass du dich für mich, für uns entschieden hattest. Mir war immer klar gewesen, dass du dich erinnern würdest, Evelyn“, raunte ich. „Ich war mir sicher, dass du zu mir zurück findest. Irgendwann. Nur das zählt!“ Meine Worte waren voller Hoffnung und Sehnsucht zugleich, die nun endlich beruhigt werden würden. Ich hatte auf sie gewartet und es war egal, wie viel Zeit verstrichen sein mochte, für mich spielte es ohnehin keine Rolle. Es war alles nicht mehr wichtig, weil wir von jetzt an zusammen sein konnten. „Für immer mein Liebling, wir werden bis in alle Ewigkeit füreinander da sein, das verspreche ich dir.“
Evelyn kuschelte sich fester in meine Umarmung und sie weinte an meiner Brust, bis ihre heißen Tränen mein T-Shirt durchnässt hatten. Sie sagte etwas zu mir, aber es war nur ein unverständliches Gemurmel, das durch ihre Tränen erstickt klang. „Was?“, fragte ich sanft.
Sie drehte ihren Kopf, um mich anzuschauen. „Ich... ich kann nicht, Peter.“ Da war es wieder, dieses Stechen in meinem erstarrten Herzen.
„Ich verstehe nicht.“ Das tat ich wirklich nicht. „Du bist hierher gekommen.“
Evelyn versuchte weitere Tränen wegzublinzeln, aber sie suchten sich trotzdem ihren Weg und rannen unablässig ihre makellosen Wangen hinab. „Es hat sich viel verändert, Peter. Soviel
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