Erlösung
erwarten war.
Peter seufzte. „Das war’s dann für mich. Ich werde verschwinden und mich aus allem raushalten, wenn du so willst.“ Sollte es so einfach werden? Er ließ seinen Blick zu Richard Ashton gleiten, der noch immer auf dem Boden saß und schluchzte. Es war ein verstörendes Bild, das ich nur schwer ertragen konnte. Da hockte bloß noch ein gebrochener Mann, mehr war wohl nicht von ihm übrig geblieben.
„Er wird sich freuen, wenn ich ihm sein jämmerliches Gedächtnis nehme.“ Mein Gewissen pflichtete Peter stumm bei, und obwohl mein Herz nur an Lesley denken konnte, so war mir bewusst, dass ich es nicht verhindern konnte. Ashton wusste zu viel, wir mussten ihm die Erinnerungen nehmen.
„Was ist, keine Einwände?“ Er schien erstaunt zu sein.
„Nein, in diesem Fall haben wir keine Wahl.“ Ich schaute Peter unverwandt an. „Danach wirst du also gehen und unsere Wege werden sich nie wieder kreuzen?“ Für einen winzigen Moment hätte ich mir fast gewünscht, dass er verneinen würde. Dass er uns im Kampf gegen die Verräter beistehen würde. Dieser Gedanke verflüchtigte sich jedoch rasch wieder. Unser Band war gerissen und es würde nie wieder so werden, wie es einst war.
„Du hast mein Wort. Auch wenn es dir sicherlich nichts mehr bedeuten wird, ich verspreche es dir trotzdem… Es gibt nur eine Sache, die mir wirklich wichtig ist. Und ich möchte dich daher um etwas bitten.“ Seine Augen glänzten. „Ich weiß nicht, was du Lesley erzählen wirst, doch sie soll wissen, dass ich ihr niemals etwas getan hätte, wenn ich gewusst hätte, wer ihre Mutter war. Bitte sag´ ihr, dass es mir Leid tut. Alles…“ Es hörte sich fast an wie ein Flehen. „Bitte!“ Da war sie wieder, die zweite, sanfte Seite seines undurchsichtigen und unberechenbaren Wesens. Wenn er tatsächlich verschwinden würde, wie konnte ich ihm diesen einen Gefallen dann abschlagen?
„In Ordnung.“ Peter wirkte dankbar. Für den Bruchteil einer Sekunde war es wie früher, kein Hass, kein Zorn. Als gäbe es keine Zwietracht zwischen uns. Sein Blick streifte jedoch schnell wieder Lesleys Vater.
„Ich werde unsere Spuren beseitigen und alles so aussehen lassen wie einen misslungenen Selbstmordversuch.“ Kühl und abgeklärt, die Worte eines Jägers. Peter erwartete keine Antwort von mir. Er hockte sich neben Richard Ashton und der bemerkte ihn anscheinend noch nicht einmal.
„Selbstmord?“, wiederholte ich ungläubig.
„Ein Mann, der seine Frau verloren hat und der ihren Tod niemals überwinden konnte. Seine Tochter todkrank und trotzdem entfremdet… es haben sich Menschen schon für weniger umgebracht.“ Da hatte er wohl nicht unrecht. „Wirst du Lesley von hier fortbringen?“
Ich nickte. „Ja, ich werde sie mitnehmen.“
„Gut.“ Er klang abwesend, seine Aufmerksamkeit war bereits voll und ganz auf Richard gerichtet.
„War deine Freundschaft eigentlich in der ganzen Zeit ein einziges Mal echt?“ Hatte ich diese Frage nicht schon gestellt?
Sein Kiefer zuckte. „Bevor ich Evelyn verloren habe, ja, aber ich glaube, dass ich den besten Teil von mir in der Ruine zurückgelassen habe.“
„Dann hol ihn dir verdammt noch mal zurück“, erwiderte ich scharf.
Seine Mundwinkel hoben sich zu einem flüchtigen, kurzen Grinsen, das seine spitzen Eckzähne entblößte. Dann riss er Ashtons Kopf plötzlich zur Seite und seine scharfen Fänge gruben sich unbarmherzig in das warme Fleisch. Peter nahm nicht nur das Blut, sondern auch den Schmerz und wohl auch ein kleines Stück von Richards verletzter Seele. Ich wusste, dass es nötig war. In jenem Moment gab es keine andere Möglichkeit.
Meine innere Stimme befahl mir, mich umzudrehen und es einfach dabei zu belassen. Was sollte ich sonst tun? Es gab nichts mehr, dass ich hätte sagen können. Also ging ich zur Tür, drückte die Klinke herunter und ich verließ den Raum, ohne noch einen weiteren Blick zurückzuwerfen. Ob es tatsächlich das letzte Mal war, dass Peter und ich uns sahen?
Die Frage blieb unbeantwortet. Ich rannte bereits nach oben und nahm dabei drei Stufen gleichzeitig, so leise und unbemerkt wie ein Schatten, der vor der Dunkelheit flüchtete, um nicht vollends verschlungen zu werden.
Lesleys Zimmer lag am Ende des Korridors und obwohl ich sonst fast immer über ihren Balkon eingestiegen war, schien mir dieser Weg ebenso vertraut zu sein. Ich bewegte mich lautlos über den langen Flur, weil ich keinem der Bediensteten über den Weg laufen
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