Erlösung
ich nur ein paar Minuten brauche.“ Lesley ging einen Schritt zurück. Peter bewegte sich keinen Millimeter.
„Ja, es ist besser, wenn wir hier nicht noch einmal aufeinander treffen. Er wird mir wohl nie verzeihen, was ich dir angetan habe und ich würde es an seiner Stelle sicherlich auch nicht.“ Er zuckte mit den Achseln. „Und auch wenn ich kein Recht habe, irgendetwas von dir zu verlangen; eine Bitte habe ich trotzdem. Verrate Nicholas nichts von unserem Treffen, es ist wichtig, dass er nicht weiß, dass sich unsere Wege wohl noch einmal kreuzen werden.“
„Warum?“ Sie konnte ihm nicht trauen. Oder?
„Weil ihn sein Wissen und seine Gedanken verraten könnten und das wäre vielleicht tödlich. Elisabeth und auch Crane sind ziemlich gute Gedankenleser, ich denke einfach, dass es sicherer für deinen Beschützer ist, wenn er nicht weiß, dass ich ihm zu Hilfe kommen werde.“
Lesley zog die Augenbrauen zusammen. „Wieso sollte ich dir glauben? Es könnte ja auch einfach nur ein Plan von dir oder ihnen sein. Ein Hinterhalt.“
„Ein Überraschungsmoment ist womöglich ein entscheidender Vorteil, den wir nutzen sollten, denn sie sind viele und Elisabeth ist ziemlich gut.“ Peter nickte. „Du hast natürlich recht. Ich habe leider keinen Beweis, den ich dir so ad hoc geben könnte, ich kann dich nur darum bitten und hoffen, dass du mir vertraust… nur dieses eine Mal.“
Liz sah mich mit ihren großen blauen Augen an. „Und ich habe ihm vertraut, Nicholas… nur dieses eine Mal.“
Ich hatte mich von der Tür inzwischen losgelöst und war zum Bett gegangen. „Aber er war nicht in Schottland.“
Sie nickte. „Er war hier.“
Das hätte ich vermutlich erst einmal sacken lassen müssen, aber erstaunlicherweise war das gar nicht nötig. „Dann hat er seit langem mal wieder etwas richtig gemacht.“
Sie schien erleichtert. „Du bist nicht sauer, weil ich dir nichts gesagt habe?“
„Nein, wieso? Zugegeben, ich hätte mich kürzer fassen können, als ich dich über die Beziehung zwischen ihm und deiner Mutter aufgeklärt habe… du wusstest es da ja schon.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Aber Peter hatte recht; Alexander und Elisabeth hätten den Plan sofort durchschaut. Es war gut, dass ich davon nichts wusste. So oder so, es hat funktioniert.“ Ich seufzte. „Bis auf die Tatsache, dass Vincent nicht mehr da ist.“
Lesley strich mir liebevoll über den Rücken. „Er wird auch mir fehlen. Vielleicht nicht so wie dir, weil du ihn viel länger und besser kanntest, aber er war wirklich großartig zu mir. Ein echter Freund.“
„Er war wie ein Vater zu mir. Mein Mentor, der Unglaubliches leisten konnte und mir so vieles beigebracht hat. Ich kann nicht fassen, dass er nicht mehr hier sein soll. Wegen tausend Dingen stand ich in seiner Schuld und zum Schluss konnte ich trotzdem nichts für ihn tun. Ich stand einfach nur da und sah ihm beim Sterben zu.“
„Du hattest doch keine Wahl. Rebecca hat gesagt, dass es Vincents Entscheidung war. Er wusste, was er tat.“
„In seiner Vision hat er seinen Tod vorhergesehen und es akzeptiert. Er war einer der letzten seiner Art. Ihm hat Ehre noch etwas bedeutet. Vincent hat für uns alles riskiert und er war mit sich im Reinen. Und ich kann bloß daran denken, dass ich ihn dort gelassen habe. Es war sein Wunsch gewesen, aber ich wollte es trotzdem nicht tun…“ Die Worte wurden immer leiser, bis es nur noch einem Flüstern gleichkam. „Er sollte nicht dort bleiben… nicht allein…“ Meine Hände ballten sich zu Fäusten, die Wut quoll langsam hervor. Und mein Gewissen schickte mir unweigerlich die grauenvollen Bilder aus der Ruine. Was war denn noch von Vincent übrig geblieben? Überreste, die nichts mehr mit meinem Schöpfer gemein hatten. Der quälende Zorn über mich selbst schnitt sich durch meinen Körper.
„Scht, du musst gar nichts sagen. Gib dir Zeit.“ Liz lehnte sich an mich und ich erwiderte diese Geste. Dankbar sie bei mir zu wissen und zu spüren. Ich schloss die Augen und Erinnerungen von Vincent drängten sich in meinen Verstand. Doch jetzt waren es nicht die entsetzlichen Bilder seines Todes, sondern glückliche Momente. Für eine Weile saßen wir stumm beisammen und Lesley gab mir diesen Augenblick der Ruhe. Und zum ersten Mal wollte ich menschlich sein, um den Schmerz, den Frust und den Hass einfach fortspülen zu lassen. Dafür hätte ich einiges gegeben, doch ich würde nicht mehr weinen können, wie sehr ich es
Weitere Kostenlose Bücher