Erlösung
dich und das hat nichts mit Egoismus zu tun. Wenn ich es wollen würde, dann hätte ich dich schon früher darum gebeten.“
„Nein“, fiel ich ihr ins Wort. „Denn du hattest die Wahl und hast dich gegen alles entschieden, nur um mich zu schützen. Ich weiß von den Ältesten, wie selbstlos du warst.“ Bevor sie etwas erwidern konnte, sprach ich weiter: „Also, lass mich endlich etwas für dich tun.“ Ich umarmte Liz so eng und gleichzeitig so vorsichtig, wie es mir möglich war. Ihr Puls wurde ruhiger, die Welle des Leids schien vorbei zu gehen.
„Glaub´ mir, ich will es auch und ich bin bereit, egal wie schlimm es mit der Verwandlung sein wird… aber nicht heute, nicht so. Ich möchte einen richtigen Abschied vom Leben haben, verstehst du? Einen letzten Tag als Mensch, eine letzte Nacht als Frau… all´ die Dinge tun, die ich dann nicht mehr tun kann. Essen, schlafen und ich möchte ein allerletztes Mal im gleißenden Sonnenlicht spazieren gehen oder tanzen, wenn mir danach ist.“ Es klang fast schon verträumt.
„Sonnenlicht? Ich könnte dich dabei noch nicht einmal begleiten, geschweige denn anschauen, weil meine Augen die UV-Strahlen kaum ertragen können.“ Oder ich musste mir erneut diesen Hightechanzug ausleihen…
„Dann kannst du es doch verstehen?“ Und ich sah sie auf einmal deutlich in meinem Kopf, wie sie elegant im Licht des Tages über den Boden schwebte und sich ihr Körper grazil im leichten Wind bewegte. Wunderschön, ohne Frage. Ich wäre wohl ebenso verzaubert, wie Peter es damals gewesen war, als er Evelyn Ashton beobachtete, die über den zugefrorenen See Eis gelaufen war. Dieses Bild würde ich vermutlich nicht mehr aus meinem Kopf kriegen.
„Bitte, Nicholas, das ist sehr wichtig für mich.“ Die Dringlichkeit ihrer Worte berührte mich. Es war schließlich nicht so, als könnte ich ihre Beweggründe nicht nachvollziehen, trotzdem erschienen sie mir zum jetzigen Zeitpunkt unvernünftig, also sprach ich aus, was ich dachte.
„Aber es ist viel zu gefährlich. Dumm und töricht, wir wissen nicht, wie lange du das überhaupt noch kannst.“
„Du hast recht. Den Krebs kann ich nicht kontrollieren, meinen Körper schon und ich kenne ihn, ich weiß, was ich aushalten kann. Vertrau´ mir, Nicholas. Das schaffe ich. Gib mir ein oder zwei Tage.“ Ihre funkelnden Augen ließen keinen Zweifel zu, sie würde nicht klein beigeben. Und immerhin konnte ich sie nicht zwingen…nun ja, ich konnte, würde es aber natürlich nicht tun. Seufzend neigte ich meinen Körper etwas zur Seite, um das Telefon auf dem Nachttisch zu erreichen. Vincents Nummer kannte ich auswendig und ich wusste, dass Rebeccas sehr ähnlich war. Die letzten beiden Ziffern am Ende waren bloß vertauscht. Nach nur einem Klingeln nahm sie ab.
„Martin?“, meldete sie sich knapp und ihre Stimme klang wieder so souverän wie sonst auch.
„Hallo Rebecca, hier ist Nicholas. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.“
„Natürlich, was soll ich tun?“
„Lesley und ich wollen nach Paris und ich habe Michaels Nummer nicht, abgesehen davon, weiß ich gar nicht, ob er noch hier ist. Denkst du er würde uns hin bringen? Ich würde ungern mit Liz in einen überfüllten Flieger steigen, ihr geht es nicht sehr gut.“
„Selbstverständlich. Ich gebe ihm Bescheid, sagt nur, wann ihr los wollt, dann steht der Helikopter samt Pilot für euch bereit.“
„In etwa einer Stunde.“
Private Einblicke
Die Lichter ließen das Gebäude weit mehr erstrahlen als es eigentlich nötig gewesen wäre. Die imposante Glaspyramide thronte in der Mitte, eingerahmt von über achthundertjährigen Mauern, die geschichtsträchtiger nicht sein könnten. Der Louvre beeindruckte jeden Betrachter wohl immer wieder aufs Neue. Ich selbst hatte ihn nun bereits einige Male gesehen, aber heute wirkte er sogar auf mich noch ein wenig prachtvoller. Möglicherweise lag das allerdings auch an meiner bezaubernden Begleitung. Lesley stand neben mir und sie hatte sich die letzten Minuten nicht einmal bewegt. „Das, was du erwartet hast?“, fragte ich lächelnd.
Sie schüttelte den Kopf. „Die Bilder, die ich bisher gesehen habe, kommen nicht annähernd an die Wirklichkeit heran.“
Ich musste lachen. „Das ist schön zu hören, aber warte ab, bis du drinnen bist.“ Als ich einen Schritt nach vorne machte, griff sie nach meiner Hand und ich sah sie an.
„Was?“ Sie wirkte völlig überrascht. „Doch nicht mehr heute.“
„Wann
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