Erlösung
Kompliment, Chérie“, entgegnete er grinsend.
Sie lächelte jetzt auch. „Merci.“
Ich räusperte mich spielerisch. „Gut. Nach dieser interessanten, wenn auch sehr umfassenden Einleitung darf ich also endlich vorstellen; Lesley Ashton, Gerard Terráux.“
„Es ist mir eine Ehre, Mademoiselle.“ Sie gaben sich einander die Hände.
„Freut mich auch, Sie kennen zu lernen.“
„Das ist schon besser.“ Er wurde etwas ernster und wandte sich zu mir. „Und jetzt zum eigentlichen Thema, denn so sehr ich mich freue, euch hier zu haben, weiß ich trotzdem, dass dieser alte Kasten dafür verantwortlich ist, dass ihr hier in Paris seid. Also, ich habe getan, was ich konnte, aber ihr habt nur eine Stunde, dann müsst ihr wieder draußen sein.“
„Eine Stunde für rund sechzigtausend Quadratmeter, das ist sogar für einen Vampir eine Herausforderung“, gab ich offen zu. Gerard wedelte mit seiner Gehilfe – die er eigentlich nicht gebraucht hätte – vor seinem Gesicht herum, ohne auch nur einen von uns damit zu streifen.
„Ich weiß, ich weiß, ich hätte auch gern mehr herausgeschlagen, aber Nicholas, das ist immerhin der Louvre. Die lockeren Zeiten sind vorbei, Napoleon ist nicht mehr der Hausherr. Weißt du eigentlich wie schwierig es ist, hunderte Wachleute, Kameras, Bewegungsmelder und Alarmanlagen für knappe sechzig Minuten `abzustellen´? Ich glaube, dafür würde vermutlich jeder zweite Einbrecher dieser Welt sein Leben geben.“
„Du hast recht, ich danke dir.“ Ich klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Das ist wirklich toll. Ich schulde dir was, mein Freund.“
„Von wegen“, spottete er wieder grinsend. „Wir sind noch nicht mal annäherungsweise quitt!“ Er stieß spielerisch mit dem Blindenstock gegen mein Knie. „Also, los, los, ihr Beiden. Für alles andere ist später immer noch Zeit. Rein mit euch, die Minuten laufen bereits.“ Er schloss die Tür hinter uns auf. Und das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich schnappte mir Lesleys Hand und ich zog sie bereits durch die Tür.
„Danke!“ Ihre Worte verhallten in der kühlen Nachtluft, während wir schon einen langen Flur entlang gingen. Ich hörte wie die Tür hinter uns wieder ins Schloss fiel und ich verdrängte sofort das unbehagliche Gefühl, das in mir unwillkürlich hoch kroch. Der Louvre war eine Festung, sie hatte nicht nur in früheren Zeiten dafür gesorgt, dass Menschen drinnen oder auch draußen blieben, auch heute hätte es ein Gefängnis für mich sein können. Da ich aber auf Gerard vertraute und ich die wenigen Minuten hier nicht verschwenden wollte, schob ich die Zweifel und düsteren Gedanken schnell beiseite.
„Okay, Engel, du hast den Meister gehört, die Zeit ist leider recht knapp. Also, was möchtest du unbedingt sehen?“
„Oh Gott, ich weiß nicht, ich kann noch gar nicht glauben, dass wir hier sind. Wahnsinn. Ganz allein? Das ist so cool.“
„Irgendwie schon.“ Ich erwiderte ihr Lächeln.
„Okay, in Anbetracht der Situation hätte ich dann gern einen Crashkurs der wichtigsten Punkte. Am liebsten Gemälde, ich mag Delacroix sehr gern und natürlich Da Vinci. Ich würde schon gerne mal seine Mona Lisa sehen.“
„Kein Problem!“ Ich nahm Liz auf meine Arme und jagte sofort weiter den Flur entlang.
„Hey, ich weiß, das geht schneller, aber nicht ganz so rasant, sonst wird mir schlecht.“ Sie drehte ihren Kopf. „Weißt du denn wo wir lang müssen? Ich meine, kennst du dich hier aus?“
„Einigermaßen. Immerhin habe ich mal das Blut von zwei Wachleuten und einer Frau gekostet, die hier immer die Führungen machte.“ Meine Worte schockierten Lesley offensichtlich, denn sie starrte mich mit offenem Mund an. Ich hätte am liebsten losgeprustet.
„Das war bloß ein Scherz.“
„Oh, du meine Güte. Gott sei Dank.“ Sie atmete hastig ein.
„Du weißt schon, dass ich keine unschuldigen Menschen töte, richtig?“ Außer mein Leben hinge davon ab.
Sie nickte. „Sorry.“
„Es ist wie Gerard sagte; nach Napoleon wurden hier immer wieder Umbaumaßnahmen, Renovierungen und so weiter durchgeführt, da kann man schon mal den Überblick verlieren. Ich glaube aber, dass es früher auch nicht besser war. Allmählich ist wohl Ruhe eingekehrt, was bei Millionen von Besuchern pro Jahr auch unabdingbar ist. Ich war jedenfalls schon mal im Louvre und solange die besagten Gemälde noch da hängen, werde ich die wichtigen Kunstwerke schon wieder finden.“ Ich verkniff mir weitere
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